Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Besuch habe mit dem Kauf einer Liegenschaft im Ribera-Viertel zu tun. In ihrem unerschütterlichen Blick veränderte sich etwas.
»Das Haus mit dem Turm?«, fragte sie.
Ich nickte. Sie führte mich in ein leeres Büro. Ich ahnte, dass das nicht das offizielle Wartezimmer war.
»Bitte warten Sie einen Moment, Señor Martín. Ich sage dem Herrn Anwalt, dass Sie hier sind.«
Ich verbrachte fünfundvierzig Minuten in diesem Büro, umgeben von Regalen mit grabsteingroßen Büchern, auf deren Rücken Titel standen wie »1888-1889, B.C.A. Erste Abteilung. Titel zwei«, die einen zur Lektüre regelrecht verführten. Das Büro hatte ein großes Fenster über der Diagonal, von dem aus man die ganze Stadt betrachten konnte. Die Möbel rochen nach antiken, in Geld eingelegten Edelhölzern. Die Teppiche und schweren Ledersessel erinnerten an die Atmosphäre eines britischen Clubs. Ich versuchte, eine der Lampen auf dem Schreibtisch anzuheben, und schätzte sie auf mindestens dreißig Kilo. Ein großes Ölgemälde über einem noch jungfräulichen Kamin zeigte unzweifelhaft die überheblich-ausladende Gestalt des unaussprechlichen Don Soponcio Valera y Menacho. Der Backen-und Schnauzbart des kolossalischen Rechtsanwalts glich der Mähne eines alten Löwen, und mit Augen aus Feuer und Stahl beherrschte er noch aus dem Jenseits jeden Winkel des Raums, einen Ernst ausstrahlend wie anlässlich eines Todesurteils.
»Er spricht zwar nicht, aber wenn man das Bild eine Weile anschaut, hat man das Gefühl, er fange jeden Augenblick an«, sagte eine Stimme in meinem Rücken.
Ich hatte ihn nicht eintreten hören. Sebastian Valera war ein Mann mit diskretem Gang, der aussah, als habe er den größten Teil seines Lebens versucht, aus dem Schatten seines Vaters hervorzukriechen, und es jetzt mit seinen etwas über fünfzig Jahren endgültig aufgegeben. Er hatte einen intelligenten, durchdringenden Blick und die vortreffliche Haltung, die nur echten Prinzessinnen und wirklich teuren Anwälten eignet. Er gab mir die Hand.
»Es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen, aber ich hatte nicht mit Ihrem Besuch gerechnet.« Er lud mich ein, Platz zu nehmen.
»Im Gegenteil. Ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, mich zu empfangen.«
Valera lächelte, wie es nur jemand kann, der den Preis jeder Minute kennt und festsetzt.
»Meine Sekretärin sagt mir, Ihr Name sei David Martín. David Martín, der Schriftsteller?«
Anscheinend verriet mich mein überraschtes Gesicht.
»Ich stamme aus einer Familie von Leseratten«, erklärte er. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich hätte von Ihnen gern eine Auskunft bezüglich des Verkaufs eines Hauses in –«
»Des Hauses mit dem Turm?«, unterbrach er mich höflich.
»Ja.«
»Kennen Sie es denn?« »Ich wohne darin.«
Valera schaute mich lange mit erstarrtem Lächeln an. Dann richtete er sich in seinem Sessel auf und nahm eine angespannte und abwehrende Haltung ein.
»Sind Sie der gegenwärtige Besitzer?«
»Eigentlich wohne ich dort zur Miete.«
»Und was möchten Sie wissen, Señor Martín?«
»Wenn es möglich ist, würde ich gern Genaueres darüber erfahren, wie die Bank Hispano Colonial die Liegenschaft erworben hat, und einige Informationen über den ehemaligen Besitzer einholen.«
»Don Diego Marlasca«, murmelte der Anwalt. »Darf ich nach der Art Ihres Interesses fragen?«
»Reine Neugier. Neulich habe ich während eines Umbaus eine Reihe von Dingen gefunden, von denen ich annehme, dass sie ihm gehörten.«
Er runzelte die Stirn.
»Dinge?«
»Ein Buch. Genauer gesagt, ein Manuskript.«
»Señor Marlasca war ein großer Büchernarr. Tatsächlich war er Autor zahlreicher juristischer und historischer Werke und hat auch über andere Themen publiziert. Ein großer Gelehrter. Und auch ein großer Mann, aber am Ende seines Lebens haben gewisse Leute versucht, seinen Ruf zu besudeln.«
Der Anwalt sah mir mein Befremden an.
»Ich nehme an, Sie sind mit den Umständen von Señor Marlascas Tod nicht vertraut.«
»Ich fürchte, nein.«
Valera seufzte, als ränge er mit sich, ob er weitersprechen solle oder nicht.
»Sie werden doch nicht darüber schreiben, nicht wahr? Und auch nicht über Irene Sabino?«
»Nein.«
»Habe ich Ihr Wort?« Ich nickte.
Valera zuckte die Achseln.
»Ich könnte Ihnen auch nicht mehr sagen als das, was seinerzeit schon erzählt worden ist«, sagte er mehr zu sich selbst.
Er warf einen kurzen Blick auf das Porträt seines Vaters und schaute dann
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