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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Hispano Colonial in der Calle Fontanella. Beim Anblick der hunderttausend Francs gerieten der Direktor, die Rechnungsprüfer und ganze Heerscharen von Kassierern und Buchhaltern in Ekstase und hoben mich geradewegs auf den Altar für jene Kunden, die beinahe wie Heilige verehrt wurden. Nachdem die Bankangelegenheiten geregelt waren, beschloss ich, mich mit einem weiteren apokalyptischen Reiter anzulegen, und ging zu einem Zeitungskiosk auf der Plaza Urquinaona. Ich schlug Die Stimme der Industrie in der Mitte auf und suchte die Vermischten Meldungen, für die seinerzeit ich verantwortlich gewesen war. Immer noch war in den Schlagzeilen Don Basilios kundige Hand erkennbar, und ich fand fast sämtliche Namenskürzel der Redaktion wieder, als wäre kaum Zeit vergangen. Die sechs Jahre Diktatur von General Primo de Rivera hatten der Stadt eine giftige, trübe Ruhe gebracht, die dem Ressort für Verbrechen und Gräuel gar nicht gut bekam. Es fanden sich kaum noch Geschichten von Bomben oder Schießereien in der Presse. Barcelona, die schreckliche »Feuerrose«, glich immer mehr einem Dampfkochtopf. Eben wollte ich die Zeitung zusammenfalten und das Wechselgeld entgegennehmen, als ich die Meldung erblickte. Es war nur eine Kurznachricht von insgesamt vier in einer Spalte auf der letzten Seite der Vermischten Meldungen.
     
    Mitternächtlicher Brand im Raval mit einem Toten und zwei Schwerverletzten
     
    Von Joan Marc Huguet, Barcelona
     
    Kurz nach Mitternacht ereignete sich am Freitag ein Großbrand im Haus Nr. 6 an der Plaza dels Àngels, Sitz des Verlages Barrido und Escobillas, bei dem der Geschäftsführer der Firma, Sr. D. José Barrido, ums Leben kam. Schwere Verletzungen erlitten sein Teilhaber, Sr. D. José Luis López Escobillas, sowie der Arbeiter Sr. Ramón Guzmán, der von den Flammen erfasst wurde, als er den beiden Firmenchefs zu Hilfe eilen wollte. Die Feuerwehr hält es für möglich, dass der Brand durch eine Chemikalie verursacht wurde, die bei der Renovierung der Büros verwendet worden war. Derzeit werden jedoch auch andere Ursachen nicht ausgeschlossen, da Augenzeugen berichten, sie hätten kurz vor Ausbruch des Brandes einen Mann aus den Geschäftsräumen kommen sehen. Die Opfer wurden ins Hospital gebracht, wo eines bereits tot eintraf, während bei den beiden anderen nur geringe Überlebenschancen bestehen.
     
    Ich eilte hin, so schnell mich meine Füße trugen. Der Brandgeruch war bis zu den Ramblas wahrzunehmen. Auf dem Platz vor dem Gebäude hatte sich eine Schar von Anwohnern und Neugierigen versammelt. Weiße Rauchfäden stiegen von einem Schutthaufen vor dem Eingang auf. Ich erkannte mehrere Verlagsangestellte, die das wenige, das übrig war, aus den Trümmern zu retten versuchten. Auf der Straße stapelten sich Kisten mit angesengten Büchern und von den Flammen versehrte Möbel. Die Fassade war rußgeschwärzt, die Fenster waren von der Hitze des Feuers geborsten. Ich durchbrach den Kreis der Gaffer und ging ins Haus. Ein beißender Geruch setzte sich mir im Hals fest. Einige Verlagsangestellte, die sich mit der Bergung ihrer Habseligkeiten abrackerten, erkannten mich und grüßten mich niedergeschlagen.
    »Señor Martín … Was ein Unglück«, murmelten sie.
    Ich ging quer durch den ehemaligen Empfangsraum zu Barridos Büro. Die Teppiche waren den Flammen zum Opfer gefallen und die Möbel bis auf glühende Skelette verbrannt. In einer Ecke war die Wandtäfelung heruntergefallen und ließ einen Lichtstrahl vom Hinterhof hinein. Asche hing in der Luft. Wie durch ein Wunder hatte ein Stuhl den Brand überlebt. Mitten im Raum saß darauf die Giftige und weinte. Ich kniete mich vor sie hin. Sie erkannte mich und lächelte durch die Tränen hindurch.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Sie nickte.
    »Er hat mich heimgeschickt, weißt du. Er sagte, es sei schon spät und ich solle schlafen gehen, weil heute ein langer Tag würde. Wir haben die Buchhaltung für den ganzen Monat abgeschlossen … Wenn ich auch nur eine Minute länger geblieben wäre …«
    »Was genau ist denn geschehen, Herminia?«
    »Wir hatten bis spät gearbeitet. Es war schon fast Mitternacht, als Señor Barrido sagte, ich solle nach Hause gehen. Die Verleger haben auf einen Herrn gewartet, der sie besuchen wollte …«
    »Um Mitternacht? Was für ein Herr?«
    »Ein Ausländer, glaube ich. Es hatte was mit einer Offerte zu tun, was weiß ich. Ich wäre gern geblieben, aber es war schon sehr spät, und Señor Barrido

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