Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
dieses gewaltige Vermögen an und schüttelte schließlich den Kopf. Wenigstens hatte ich es gesehen. Es war real. Das Angebot und die Eitelkeit, die mich in diesem Moment von Elend und Verzweiflung erfasste, waren echt.
»Ich kann es nicht annehmen«, sagte ich.
»Glauben Sie, es ist befleckt?«
»Alles Geld ist befleckt. Wenn es sauber wäre, würde es niemand wollen. Aber das ist nicht das Problem.« »Sondern?«
»Ich kann es nicht annehmen, weil ich Ihr Angebot nicht annehmen kann. Ich könnte es nicht, selbst wenn ich wollte.«
Corelli wog meine Worte ab.
»Darf ich nach dem Grund fragen?«
»Weil ich sehr bald sterben werde, Señor Corelli. Weil mir nur noch einige Wochen, vielleicht einige Tage bleiben. Weil ich nichts anzubieten habe.«
Corelli senkte den Blick und hüllte sich in ein langes Schweigen. Ich hörte den Wind an den Fenstern kratzen und über das Haus fegen.
»Sagen Sie mir nicht, Sie hätten es nicht gewusst«, fügte ich hinzu.
»Ich habe es geahnt.«
Er blieb sitzen, ohne mich anzuschauen.
»Es gibt eine Menge andere Schriftsteller, die dieses Buch für Sie schreiben können, Señor Corelli. Ich danke Ihnen für Ihr Angebot. Mehr, als Sie sich vorstellen können. Guten Abend.«
Ich tat ein paar Schritte in Richtung Haustür.
»Sagen wir, ich könnte Ihnen helfen, Ihre Krankheit zu überwinden«, sagte er.
Ich blieb mitten im Korridor stehen und wandte mich um. Corelli stand bloß zwei Handbreit von mir entfernt und schaute mir fest in die Augen. Er kam mir größer vor als zuvor, und auch seine Augen erschienen mir größer und dunkler. Ich konnte in seinen Pupillen mein Spiegelbild sehen, das immer weiter schrumpfte, je weiter jene wurden.
»Beunruhigt Sie mein Aussehen, mein lieber Martín?«
Ich schluckte.
»Ja«, gestand ich.
»Kommen Sie bitte in den Salon zurück und setzen Sie sich. Geben Sie mir die Chance, Ihnen noch mehr zu erklären. Was haben Sie schon zu verlieren?«
»Nichts, vermutlich.«
Sanft legte er mir die Hand auf den Arm. Er hatte lange, blasse Finger.
»Sie haben nichts von mir zu befürchten, Martín. Ich bin Ihr Freund.«
Seine Berührung hatte etwas Tröstliches. Ich ließ mich wieder in den Salon führen und setzte mich folgsam hin, wie ein kleiner Junge, der auf die Worte eines Erwachsenen wartet. Corelli kniete sich neben den Sessel und schaute mir in die Augen. Er ergriff meine Hand und drückte sie kräftig.
»Wollen Sie leben?«
Ich wollte antworten, fand aber keine Worte. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und meine Augen füllten sich mit Tränen. Bis zu diesem Augenblick war mir nicht klar gewesen, wie sehr ich weiter atmen, weiterhin jeden Morgen die Augen öffnen wollte, wie sehr es mich auf die Straße hinauszog, um übers Pflaster zu gehen und den Himmel zu sehen, und, vor allem, wie sehr ich mich weiter erinnern wollte.
Ich nickte.
»Ich werde Ihnen helfen, mein lieber Martín. Ich bitte Sie einzig, mir zu vertrauen. Nehmen Sie mein Angebot an. Lassen Sie mich Ihnen helfen. Lassen Sie mich Ihnen geben, was Sie sich am meisten wünschen. Das ist es, was ich Ihnen verspreche.«
Wieder nickte ich.
Corelli lächelte und lehnte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. Seine Lippen waren eiskalt.
»Sie und ich, mein Freund, wir werden zusammen Großes schaffen, Sie werden schon sehen«, flüsterte er.
Er gab mir ein Taschentuch, damit ich die Tränen trocknen konnte. Das tat ich ohne die stumme Scham, mit der man vor einem Fremden weint, was ich seit dem Tod meines Vaters nicht mehr getan hatte.
»Sie sind erschöpft, Martín. Bleiben Sie die Nacht über hier. In diesem Haus gibt es mehr als genügend Zimmer. Ich versichere Ihnen, morgen werden Sie sich besser fühlen und die Dinge klarer sehen.«
Ich zuckte die Achseln, obwohl ich ahnte, dass er recht hatte. Ich fiel fast um vor Müdigkeit und hatte nur noch den Wunsch, tief zu schlafen. Ich war nicht einmal mehr fähig, aus diesem Sessel aufzustehen, dem bequemsten, gemütlichsten Sessel der Welt.
»Wenn es Ihnen recht ist, bleibe ich am liebsten gleich hier.«
»Aber selbstverständlich. Ich werde Sie schlafen lassen. Bald werden Sie sich besser fühlen. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
Corelli trat zu der Kommode und löschte das Gaslicht. Der Salon versank in blauem Halbdunkel. Die Lider fielen mir zu, und ein Gefühl von Trunkenheit überschwemmte mich, aber ich konnte eben noch sehen, wie Corelli durch den Salon ging und im Schatten verschwand. Ich schloss die Augen und
Weitere Kostenlose Bücher