Barins Dreieck
gemahnt. Ein Krankenhaus? Ja, das ist ein Krankenhaus.
»Er wacht auf ...«
»Wartet ab! Lasst ihn erst einmal die Augen öffnen!«
Jemand, der hustet. Zwei Personen am Bett.
»Jakob Marr?«
Links ein weißer Kittel. Ein Arzt? Rechts ein dunkler Anzug. Breites Gesicht, fleischige Nase. Polizei?
»Sind Sie wach? Jakob Marr?«
»Ja ...«
Die Stimme trägt halbwegs. Der Blonde in dem weißen Kittel hält mir ein Fruchttrinkpack mit Strohhalm hin.
»Denken Sie, Sie können uns ein paar Fragen beantworten, Herr Marr?«
»Ja.«
»Danke. Haben Sie die Person gesehen, die auf Sie geschossen hat ?«
»Geschossen?«
»Erinnern Sie sich daran, dass auf Sie geschossen wurde? Sie waren in der Notaufnahme immer wieder kurz bei Bewusstsein. . .«
»Ja ... nein, ich glaube nicht, dass ich mich erinnere ...«
»Wie geht es Ihnen?«
»Müde ...«
»Fühlen Sie sich dennoch in der Lage, uns ein wenig zu helfen? Das wäre sehr wichtig für uns ...«
»Kann ich noch Saft haben?«
»Aber bitte.«
»Ein Mann hat versucht, Sie zu töten, aber der Schuss ging daneben. Sie sind in der rechten Schulter getroffen worden und haben viel Blut verloren, aber das ist nichts, worüber man sich Sorgen machen muss.«
»Haben Sie ... haben Sie ihn geschnappt?«
»Ja. Er ist tot.«
»Tot?«
»Zwei unserer Männer kamen genau in dem Moment auf den Platz, als er schoss. Wir hatten Informationen bekommen, dass sich dort jemand herumtrieb und merkwürdig verhielt. Eine der Nonnen aus dem Kloster rief uns an ...«
»Sie haben ihn erschossen?«
»Der Polizeibeamte Molnar hat unmittelbar das Feuer eröffnet. . . Sie haben nichts bemerkt?«
»Nein ...«
»Sie scheinen sich genau in dem Moment umgedreht zu haben, als er schoss.«
»Wer war es?«
»Das wissen wir nicht. Er hatte keine Ausweispapiere bei sich, nichts, was uns weiterbringen könnte ... ein Mann, ungefähr in Ihrem Alter, Ihnen übrigens ziemlich ähnlich. Wohin wollten Sie?«
»Wohin ich wollte? Natürlich nach Hause ... ich kam von der Arbeit. Wie spät ist es?«
»Gut neun Uhr ... haben Sie irgendwelche Feinde, Herr Marr? Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein kann?«
»Feinde? Nein ... nein, ich habe keine Feinde.«
»Sie haben in letzter Zeit keine Drohbriefe erhalten ... oder Warnungen? Ihre Frau hat so etwas angedeutet.«
»...«
»Nun?«
»Ja ... nun ja, das kann schon möglich sein ... dass da so etwas war.«
Der Blonde wieder:
»Sind Sie sehr müde, Herr Marr?«
»Ja, sehr.«
Der Blonde: »Ich denke, wir sollten den Herrn Kommissar bitten, doch bis morgen zu warten. Herr Marr muss sich erst ausruhen. Ich sehe nicht ein ...«
»Nur noch eine Sache. Das ist doch Ihre Aktentasche?«
»Ja ... ja, natürlich.
»Und Ihr Notizbuch?«
»Notizbuch? Ja, das ist meins ...«
»Warum war es nicht in der Tasche? Es lag auf der Straße zwischen Ihnen beiden.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern ... Ich muss es unter dem Arm getragen haben ...«
»Ja, wahrscheinlich ... nun gut, ich will Sie heute nicht länger stören, Herr Marr. Ich lege es hier auf den Tisch ... was schreiben Sie eigentlich? Einen Roman?«
»Haben Sie darin gelesen?«
»Nein, nur ein wenig geblättert ... solange ich warten musste, dass Sie aufwachen.«
»Ach, das ist nichts ... nur so ein Zeitvertreib.«
»Ich verstehe. Also, auf Wiedersehen morgen ... und danke, Herr Doktor.«
»Aber bitte, Herr Kommissar. Hier geht es raus.«
Ich schließe die Augen. Lasse mich in die Kissen fallen und hole ein paar Mal tief Luft. Spüre plötzlich eine große Dankbarkeit. Eine Erleichterung darüber, dass jetzt alles wohl vorbei ist. Vorsichtig betaste ich meine verletzte Schulter. Der ganze Arm ist unbrauchbar, da gibt es keinen Zweifel. Ich suche in der Aktentasche. Finde einen Stift. Fange an zu schreiben. Es ist mühsam mit der falschen Hand ... sieht auch nicht schön aus, aber es wird schon gehen.
Diese Abgründe. Dieses schwarze Loch.
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