Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
gewaltsam laut keuchend an den Tisch, die Assistenten zerstreuten sich, und in dem entscheidenden Augenblick packte ich mit beiden Händen R bei den Schultern und warf ihn zu Boden. Sah ihn in einem Wirbel durch das Abflussrohr verschwinden, das sich direkt unter dem Tisch befand und das mit Zähnen und etwas Rotem, Vibrierendem, Würgendem besetzt war. Die Übelkeit stieg in mir auf, aber dennoch beugte ich mich über den Tisch, schloss die Augen und fiel in den Kasten. Der Fötus kam mir entgegen, und ich drückte ihn an mich, und bevor mein Bewusstsein sich verdunkelte, spürte ich, wie er sich langsam und geduldig mit mir vereinte und direkt in meinen eigenen Körper schlüpfte.
     
    In kalten Schweiß gebadet wachte ich nach diesem morbiden Kampf auf. Eine ganze Weile blieb ich vollkommen still in der Dunkelheit liegen und lauschte dem Wind draußen vorm Haus und dem Puls in meinen Schläfen.
    Dann stand ich auf und machte Licht an. Es war kurz nach vier Uhr. Ich legte ein paar Scheite in den Herd, in dem es noch glühte.
    Dann schenkte ich mir einen Cognac ein. Setzte mich an den Tisch, holte eine Zigarette und machte das Licht wieder aus.
    Blieb unbeweglich dort sitzen und spürte erneut diese Anwesenheit. Jemand oder etwas befand sich in meiner unmittelbaren Nähe, fast greifbar und ganz nahe bei mir ... Ich hatte den Eindruck, als wäre er oder es auf der anderen Seite einer dünnen Tür, zu der nur ich selbst den Schlüssel hatte.
    Die zu öffnen mir gar nicht einfiel, trotz aller starken Kräfte, die dafür sprachen.
    Was hatte Piirs noch gesagt?
    Träume sind immer Schlüssel, die Frage ist nur, zu welchem Schloss sie passen.
    Ich erinnerte mich plötzlich an die doppelte Funktion eines Schlüssels. Abzuschließen und auch aufzuschließen.
     
    Dann schlief ich bis spät in den Vormittag, wie in letzter Zeit üblich.
    Und habe wie gesagt an R gedacht.
    Den ganzen Tag schüttete der Regen herab, und ich hielt mich im Haus auf. Der gesamte Schnee war weggespült, die Umgebung dunkel geworden. Vor ein paar Stunden war ein größeres Tier, vielleicht sogar ein Elch, ganz in der Nähe des Fensters zum kleineren Zimmer aufgetaucht. Ich hörte, wie es knackte, wie Zweige brachen und dann etwas Großes, Dunkles wieder in den Wald hinein verschwand.
    Ich habe außerdem versucht, meinen Aufenthalt hier draußen in irgendeine Form von Zusammenhang zu stellen. Aber ich komme zu keiner eindeutigen Antwort. Was ist es eigentlich, was mich hier so stark anspricht?
    Dieser Ort und das einfache Leben an sich?
    Oder mein sich dahinziehendes, aber langsam sich steigerndes Warten darauf, was kommen wird? Die Schönheit des vorletzten Zugs?
    Die Ästhetik der elften Stunde, ich glaube, so hat Giesling es bezeichnet.
    Außerdem habe ich festgestellt, dass die Anzahl der Seiten begrenzt ist. In meinem dicken Buch gibt es nur noch zwanzig leere Seiten.
    Also geht jetzt alles seiner Vollendung entgegen. Wenn Sie mir immer noch folgen wollen, gebe ich Ihnen dieses Versprechen.

    30

    In der Stadt

    Der Bus war so einer von der gelbroten Sorte, und ich konnte mich nicht daran erinnern, früher schon einmal mit ihm gefahren zu sein. Die Fahrt nach K- hinein dauerte nicht einmal vierzig Minuten, zweifellos war es merkwürdig, dass nur eine so kurze Zeitspanne uns trennen sollte.
    Es war auch merkwürdig, wieder zurück zu sein. Ich begriff, wie leicht es war, sich von alten Gewohnheiten wieder schlucken zu lassen. Beschlüsse und Pläne einfach im Sand zerrinnen zu lassen, diese Gefahr lag wirklich auf der Lauer, die gleichen Schwindelgefühle, glaube ich, wie sie mich an der Ecke der Bibliothek übermannt hatten, als ich ihn durch die Tür gehen sah. Die gleiche Versuchung, sich anderen zu überlassen. . . etwas anderes, zu dem ich hätte zurückkehren können, gab es wohl kaum, und vielleicht war das gerade die Tatsache, die mich meine Stabilität zurückgewinnen ließ. Dass ich mir nicht nur selbst die Schuld geben musste. Dass ich der Betroffene war. Dass es trotz allem eine Art Recht auf Notwehr gab und dass das auf meiner Seite war.
    Die Straßenbahn nach Leimaar hinaus ... auch so eine Tatsache, die in irgendeiner Art vorbestimmt zu sein schien. Wie beim letzten Mal fuhr ich mit ihr, stieg an der Endstation aus, fragte im Kiosk nach der Pizzeria Paloma, und nach einem kurzen Fußweg fand ich sie.
    Ich war früh da. Hatte noch eine halbe Stunde totzuschlagen, bevor mein Kontaktmann kommen sollte. Ich verspürte keine große

Weitere Kostenlose Bücher