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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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trieb die Asche davon. Ein eigenartig bitterer Geruch hing in der Luft.
    »Kavkas Lebensblut«, sagte Bartimäus. »Jetzt ist es endgültig aufgezehrt.« Nathanael schnitt eine Grimasse.
    Als das allerletzte Aschestäubchen davongeweht war, ging ein Beben durch den starren Leib des Golem. Die Arme schaukelten, der Kopf ruckte krampfartig, die Brust hob und senkte sich. Man hörte ein leises Seufzen wie von ersterbendem Atem. Einen Augenblick herrschte Stille und der Steinriese stand unbeweglich da. Dann streckte sich der gewaltige Rücken knarrend wie ein alter, vom Sturm gepeitschter Baum, der ausgestreckte Arm pendelte zurück und der Golem stand wieder aufrecht. Er legte den Kopf schief, als sei er tief in Gedanken versunken. Das dritte Auge auf seiner Stirn war blind und tot, nichts deutete mehr darauf hin, dass er von außen gelenkt wurde. Trotzdem kam Bewegung in seinen Leib.
    Nathanael und der Dschinn wichen zur Seite, als die Kreatur kehrtmachte und mit trägem Schritt durch den Hof schlurfte, ohne den beiden Beachtung zu schenken. Sie stapfte genauso entschlossen einher und wirkte von weitem genauso kraftvoll und bedrohlich wie zuvor, aber der Zerfall setzte bereits ein. Ein Netz aus Rissen überzog den Riesen. Die Risse gingen von der Brust aus, wo die Oberfläche zuvor hart und glatt gewesen war, und griffen auf alle Gliedmaßen über. Lehmbröckchen lösten sich und fielen zu Boden.
    Nathanael und der Dschinn rannten hinterher. Nathanael hatte immer noch Schmerzen und benutzte deshalb Gladstones Zauberstab als Krückstock.
    Der Golem duckte sich unter dem Torbogen durch und verließ die Hofanlage. Auf der Straße wandte er sich nach links und stapfte unter Missachtung der Straßenverkehrsordnung einfach über die Fahrbahn. Der erste Mensch, der ihm begegnete, ein dicker, glatzköpfiger Gemüsehändler mit tätowierten Armen und einem Karren mit Karotten, stieß bei seinem Anblick einen jämmerlichen Schrei aus und flüchtete Hals über Kopf in die nächstbeste Nebenstraße. Der Golem ignorierte ihn genau wie Nathanael und Bartimäus und die kleine Prozession zog weiter.
    »Mal angenommen, der Schöpfer des Golem bekleidet ein politisches Amt«, gab Bartimäus zu bedenken, »nur mal angenommen!– dann wären wir jetzt nach Westminster unterwegs, mitten in die Innenstadt. Das dürfte einiges Aufsehen erregen.«
    »Umso besser«, erwiderte Nathanael, »das kommt mir sehr gelegen!« Mit jeder Minute besserte sich seine Laune. Er spürte die Angst und die Anspannung der vergangenen Wochen von sich abfallen. Zwar hatte er immer noch keine rechte Vorstellung davon, wie er dem Golem eigentlich entkommen war, aber darauf kam es momentan nicht an. Nach dem Reinfall am vergangenen Abend, als sich alle führenden Zauberer geschlossen gegen ihn gewandt und ihm mit dem Tower gedroht hatten, wusste er, dass er spätestens jetzt aus dem Schneider war, dass er wieder einmal mit einem blauen Auge davongekommen war. Der Stab war sein – dafür würde ihm Devereaux die Füße küssen! – und den Golem konnte er obendrein vorweisen. Niemand hatte ihm seine Geschichte abnehmen wollen, jetzt aber würden sie einander mit Entschuldigungen übertrumpfen, Duvall, Mortensen und die anderen. Endlich würden sie ihn in ihren Kreis aufnehmen, und falls Miss Whitwell nicht geneigt war, ihm zu verzeihen, war das auch nicht mehr schlimm. Nathanael gestattete sich ein breites Grinsen und weiter ging es im Gefolge des Golem durch Southwark.
    Was Kitty Jones betraf, war Nathanael allerdings einigermaßen verwirrt, aber sogar in dieser Hinsicht hatte sich alles zum Besten gewendet. Trotz aller praktischen Erwägungen war Nathanael nicht besonders wohl dabei gewesen, sein Versprechen gegenüber dem Mädchen zu brechen, aber unter der Beobachtung der Kugeln wäre es natürlich nicht anders gegangen. Er hätte sie schwerlich einfach laufen lassen können, trotzdem hatte ihn ein wenig das Gewissen gequält. Nun brauchte er sich auch deswegen keine Gedanken mehr zu machen. Ob sie ihm nun hatte helfen wollen (was er immer noch nicht recht glauben konnte), oder ob sie zu fliehen versucht hatte (was ihm wahrscheinlicher vorkam), sie war auf jeden Fall tot und damit von der Bildfläche verschwunden, er brauchte sich nicht mehr mit ihr zu beschäftigen. Andererseits auch wieder schade… Nach allem, was er mitbekommen hatte, schien sie ein sehr kluges Mädchen mit einer Entschlossenheit und Willenskraft gewesen zu sein, wie sie die bedeutenden

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