BattleTech 40: Die Jaeger
wollte sie niemanden die Antwort hören lassen.
»Ja, Ma’am.« Auch die Stimme des jungen Mannes klang ungewöhnlich leise. »Es scheint irgendwann letzte Nacht passiert zu sein.«
Winston zwängte sich durch die breiter werdende Öffnung, sobald die Lifttüren aufglitten, und rannte den Gang hinab. Als sie um die Ecke preschte, sah sie zwei ComGuard-Raumgardisten vor Morgans Kabine Wache halten.
Die Rorynex-Nadlergewehre in der Armbeuge, hielten sie den Korridor in beide Richtungen im Blick und schienen bereit, beim geringsten verdächtigen Geräusch zu schießen.
Winston marschierte durch das offene Kabinenschott, ohne die harten Blicke der Raumgardisten zu beachten. Das Flaggbüro sah aus wie immer: sauber, aber unaufgeräumt. Stapel von Ausdrucken und Datenchips füllten die Haltekörbe auf dem Schreibtisch. Morgans persönliches Lesegerät lag unbenutzt in seinem Wandfach. Eine frische Kanne Soycaff stand neben dem Lesegerät in der Ausgabe, von der schaltuhrkontrollierten Maschine automatisch aufgebrüht.
In Morgans Schlafkabine erinnerte die Szene Winston an eine billige Detektivserie. Der Bordarzt der Unsichtbare Wahrheit, Captain Joel Donati, stand neben der Pritsche des Marshals und sah traurig auf den in ein Laken gehüllten Körper hinab. Bei Winstons atemloser Ankunft blickte er hoch, blinzelte ein paarmal und schüttelte den Kopf.
»Wie ist er gestorben, Doktor?«
»Ich bin mir nicht sicher, General.« Donati schüttelte den Kopf. »Sieht aus, als hätte sein Herz einfach aufgehört zu schlagen.«
»Ich wußte nicht einmal, daß Morgan ein Herzproblem hatte«, meinte Winston.
»Ich auch nicht«, zuckte der Doktor die Achseln, aber es fiel ihm sichtlich schwer, den Anschein professionellen Unbeteiligtseins aufrechtzuerhalten. »Manchmal kommt so etwas vor …« Seine Stimme versagte. Er räusperte sich und sprach weiter. »Ein versteckter Fehler tritt plötzlich in den Vordergrund und peng - du bist tot.« Er schüttelte wieder den Kopf, ohne Winston in die Augen zu sehen. »Es passiert einfach.«
»Ist gut. Donnerschlag.« Ariana hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen, aber sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie versuchte nachzudenken, was jetzt zu tun war. »Sie bringen ihn wohl besser auf die Krankenstation. Ich muß den Stab informieren.«
Ihr Blick wanderte durch die Kabine. Dieser Raum war ebenso ordentlich wie das Flaggbüro unordentlich. Jedes einzelne Teil befand sich an seinem Platz. Schon verblaßten die Spuren des Mannes, der hier gewohnt hatte. Die Kabine wirkte, als könne sie jedem gehört haben. Trauer stieg in ihr auf. Der Schmerz und das Gefühl des Verlusts waren fast so gewaltig wie sie beim Tod ihres Vaters gewesen waren.
Winston nahm sich zusammen, zog die Schultern nach hinten und marschierte aus der Kabine, an zwei weißgekleideten Krankenhelfern vorbei. Der Mann an einem Ende der Bahre fiel ihr ins Auge. Etwas an ihm wirkte vertraut. Er mußte ihren neugierigen Blick bemerkt haben, denn er drehte sich zu ihr um. In den mandelförmigen Augen des Mannes standen Tränen, aber es gab kein Anzeichen, daß er sie erkannte. Vielleicht hatte sie ihn bei einem ihrer Besuche auf dem Flaggschiff schon einmal gesehen. Mit einer entschuldigenden Verbeugung ging sie um die Ecke und zurück zum Lift.
* * *
Völlig unerwartet neigte Generalin Ariana Winston in einer Geste des Respekts und der Entschuldigung vor ihm den Kopf. Zum erstenmal in seiner Karriere geriet Kasugai Hatsumi aus dem Gleichgewicht.
Während der Personalumschichtungen nach der Schlacht von Trafalgar hatte der Nekekami-Anführer Order erhalten, zum medizinischen Stab an Bord der Unsichtbare Wahrheit zu wechseln. Die Nachricht hatte erklärt, seine Mission stünde unmittelbar bevor, und er werde sein Ziel mitgeteilt bekommen, sobald die Flotte das Kampfgebiet sicher verlassen hatte. Sie waren keine drei Stunden im System gewesen, als seine Dateneinheit eine lange kodierte Nachricht empfangen hatte. Bei der Entschlüsselung stellte er fest, daß es sich tatsächlich um eine Mission von allergrößter Bedeutung handelte. Es hatte seiner gesamten Fähigkeiten im Hengen-kashi no Jitsu bedurft, um die für ihn erschaffene falsche Persönlichkeit eines ComStar-Krankenhelfers aufrechtzuerhalten. Glücklicherweise reichte seine Geschicklichkeit im Studium von Persönlichkeitsmerkmalen, die ein so wichtiger Teil dieser Disziplin war, aus, die Rolle überzeugend zu spielen. Als Captain Donati eine Bahre in Marshal
Weitere Kostenlose Bücher