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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zieht die Tür leise hinter sich zu und bleibt stehen an ihr, vorgebeugt, aufmerksam und beflissen.
    Bürgermeister Gareis telefoniert weiter.
    Tredup hat gehört, daß der Bürgermeister der längste Mann von Altholm ist. Aber dieser Mann ist nicht lang, dieser Mann ist ein Elefant, ein Koloß. Ungeheure Glieder, Fleischmassen, kaum vom Tuch zusammengehalten, ein Gesicht mit doppeltem Kinn, hängenden Wangen, dicke fleischige Hände.
    Nach seiner ersten abwehrenden Gebärde beachtet der Bürgermeister den Besucher nicht mehr. Er telefoniert ruhig weiter, wann eine Sitzung stattfinden soll, ein uninteressantes Gespräch.
    Tredup fängt an, sich im Zimmer umzusehen.
    Plötzlich merkt er, daß auch ihn der Bürgermeister beschaut, und ein quälendes Gefühl beschleicht ihn, daß diese klaren hellen Augen – unter einem schwarzen glatten Scheitel – alles sehen: die ungebügelten Hosen, die schmutzigen Schuhe, die schlechtgewaschenen Hände, den fahlen Teint.
    Aber nun ist es nicht mehr zu verkennen: über den Hörer weg lächelt ihm Bürgermeister Gareis zu. Und nun weist er auf einen Stuhl, der vor dem Schreibtisch steht, macht eine einladende Geste, und jetzt, mitten im Gespräch, sagt er: »Einen Augenblick noch. Ich bin gleich für Sie frei.«
    Tredup sitzt, der Bürgermeister legt den Hörer auf, lächelt wieder und fragt rasch: »Also, wo brennt es?«
    Plötzlich hat Tredup das Gefühl, daß er diesem Mann alles sagen kann, daß der für alles Verständnis hat. Ein Gefühl wie Rührung, eine heiße, begeisterte Bewunderung wallt in ihm auf. Er sagt: »Wo es brennt? In Gramzow, auf den Straßen nach Haselhorst und Lohstedt.«
    |55| Der Bürgermeister ist ernst, er nickt ein paarmal, sieht nachdenklich auf einen Mammutbleistift, mit dem seine Hände spielen, und sagt: »Da hat’s gebrannt.«
    »Und die Polizei interessiert sich für die Brandstifter?«
    »Vielleicht. Kennen Sie die?«
    »Ein Freund von mir. Vielleicht.«
    »Ein Freund ist mir zu weitläufig. Sagen wir: Sie. Ein Unbekannter. Größe X.«
    »Also mein Freund X.«
    Der Bürgermeister bewegt die Schultern. »Sie sind aus Gramzow?«
    »Mein Freund? Nein. Aus der Stadt.«
    »Dieser Stadt?«
    »Wohl möglich.«
    Der Bürgermeister steht auf. Tredup bekommt einen Schreck. Es ist, als bewege sich ein Berg. Er steht auf und steht auf und ist immer noch nicht alle. Ganz von oben tönt die Stimme auf den im Sessel zusammengesunkenen Tredup: »Für alle Vernunft habe ich beliebig viel Zeit, für Unvernunft keine Minute. Wir spielen hier nicht Detektivroman. Sie wollen etwas von mir, wahrscheinlich Geld. Eine Nachricht verkaufen. Ich bin nicht interessiert.«
    Tredup will Einspruch erheben. Die Stimme geht darüber fort. »Bitte, ich bin nicht interessiert. Gramzow ist nicht mein Bezirk. In Frage käme der Landrat in Lohstedt. Womöglich auch die Regierung.«
    Der Bürgermeister setzt sich wieder. Plötzlich lächelt er. »Vielleicht aber kann ich Ihnen helfen. – Reden Sie also keinen Unsinn, Mann. Raus mit der Sprache. Ich habe in meinem Leben schweigen gelernt.«
    Der zerschmetterte Tredup belebt sich wieder. Er sagt eifrig: »Ich war dort, an jenem Nachmittag. Ich habe alles gesehen: die Beamten, die Bauern, die Ochsen.«
    »Sie würden sie wiedererkennen, bestimmt?«
    Tredup nickt eifrig. »Mehr noch.«
    »Sie wissen die Namen?«
    |56| »Nein, keine Namen. Aber …«
    »Aber …?«
    »Aber ich habe zwei Aufnahmen gemacht, die eine vom Feuer nach Haselhorst zu, die andere vom Feuer auf der Lohstedter Straße. Die Bauern sind darauf, die angesteckt haben, die Stroh gestreut haben, die dabeistehen, alle …«
    Der Bürgermeister, ganz Nachdenken, fragt: »Ich kenne die Vernehmungsprotokolle nicht. Aber soviel ich weiß, steht in keinem, daß ein Fremder mit einem Photoapparat dabei war.«
    Flüchtig denkt es in Tredup: Es ist seine Sache nicht? Er kennt die Protokolle nicht? Und doch weiß er … Etwas warnt, und darum sagt er nur: »Die Bilder gibt es.«
    »Keine gestellten? Wir sehen es sofort.«
    »Die andere Seite weiß von ihnen. Heute nacht um eins wurden mir fünfhundert Mark dafür geboten.«
    »Ein guter Preis«, bestätigt der Bürgermeister. »Vielleicht sind sie zur Stunde das Zelluloid nicht mehr wert. Jetzt ist Lokaltermin in Gramzow. Wenn die Beamten die Bauern bestimmt erkennen, sind Ihre Bilder wertlos.«
    »Wenn … Der mir fünfhundert bot, wird auch an die Beamten gedacht haben.«
    Der Bürgermeister betrachtet sein Gegenüber lange und

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