BE (German Edition)
Sammler von »Prinz Eisenherz«-Ausgaben (ich war noch persönlich im Keller-Archiv des für uns Fans unvergesslichen Pollischansky) ein Rat: Ihr müsst mit allen Euch zur Verfügung stehenden Kräften daran arbeiten, die Abstände zwischen den Erscheinungsdaten der Bände Eurer grandiosen Neuauflage von »Prinz Eisenherz« zu verkürzen. Sonst lauft Ihr Gefahr, dass Euch irgendwann auf der langen Strecke das Interesse der Leser, selbst der krassesten Fans, verloren geht. Denkt nur z. B. an die »grünen« Melzers Comic Ausgaben und auch an die wirklich guten »weißen« Carlsen Comics in Farbe. Von den Prachtbänden ganz zu schweigen. Ihr müsst jetzt dranbleiben! Ich und die Nachwelt werden es Euch danken! Dass ich, wie Ihr zu Recht bemerkt habt, nur einen mittelmäßigen Film über »Prinz Eisenherz« zustande gebracht habe, liegt nicht an meiner fehlenden Hingabe zum Thema. Doch das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll. In Erwartung auf die nächsten Bände grüßt Euch mit einem Toast auf Harold R. Foster,
Euer Bernd Eichinger
Leider ließ sich aufgrund des Arbeitsaufwandes der Abstand zwischen den Veröffentlichungen der einzelnen Bände trotz Bernds flammender E-Mail nicht verkürzen. Aber immerhin halten sie noch durch. Der Bocola Verlag hat mir versichert, dass sie die Neuauflage aller Voraussicht nach vervollständigen werden. Das sind sie ihrem »krassesten Fan« meiner Ansicht nach auch schuldig.
Für Bernd war es jedes Mal wie ein Mini-Weihnachten, wenn ein neuer »Prinz Eisenherz«-Band in seiner Post lag. Dabei konnte er die Hefte ja schon auswendig. Ich wollte es ihm erst nicht glauben, aber wir machten die Probe aufs Exempel: Egal auf welcher Seite ich einen neu angekommenen Band aufschlug und meine Hand auf eine beliebige Textstelle legte, Bernd konnte mir den Inhalt des Textes entweder wortwörtlich oder zumindest inhaltlich zitieren. Bernd verehrte Hal Foster. »Ich habe ›Tarzan‹ nur so lange gelesen, wie er von Hal Foster gezeichnet wurde. Als die den Zeichner gewechselt haben, hat mich Tarzan nicht mehr interessiert. Der hatte einfach ein unglaubliches Gespür für Physiognomie und Dynamik – auch für die Bildaufteilung. Einfach ein genialer Geschichtenerzähler!« Wenn etwas die Synapsen in Bernds kindlichem Gehirn nachhaltig zusammengelötet hat, dann waren es Comics – das Zusammenspiel von Wort und Bild in fernen, phantastischen Welten.
Und noch eine weitere Phantasiewelt eröffnete sich für Bernd während seiner Kindheit, die bis zu seinem Lebensende der ultimative Fluchtpunkt für ihn bleiben sollte: die Bücher von Karl May und dabei vor allem »Winnetou«. Die lange Reihe an grünen Karl-May-Bänden mit dem Goldaufdruck steht in Bernds Bibliothek oben im Regal wie ein Totem. Bernd hat »Winnetou« unzählige Male gelesen und konnte, als ich ihn kennenlernte, auch dieses Buch auswendig. Trotzdem starrte er immer wieder lange gedankenverloren auf die Landkarten, die immer im Einband eines jeden Karl-May-Buches kleben und die Gegenden aufzeichnen, in denen die Geschichte spielt. Immer wieder reiste er in Gedanken die Strecken ab, die Winnetou und Old Shatterhand entlangreiten. Und zwar nicht auf ironische, postmoderne Weise mit einem Augenzwinkern, sondern mit ernsthafter Verträumtheit wie ein kleiner Junge. Andere Leute haben »comfort food« und essen Schoko-Pops, wenn es ihnen schlechtgeht – Bernd hatte sein »comfort book«. An Bernds Bettlektüre konnte ich immer erkennen, wie es gerade in ihm aussah. Bei Büchern, die er noch nicht kannte, war alles in Ordnung. Sein Hirn war aufnahmefähig. Las er zum 48. Mal einen »Prinz Eisenherz«-Band, stand die Ampel auf Orange. Stress lag in der Luft. Bei einem beliebigen Karl-May-Band wie z.B. »In den Schluchten des Balkan« befand er sich im dunkelorangenen Bereich. Wirklich schlimm war es jedoch, wenn Bernd den »Winnetou« aus dem Regal nahm. Dann sahen wir uns beide an und lachten, denn wir wussten, wie es um ihn bestellt war.
»Es hilft ja nichts«, seufzte er, während er frustriert auf sein Kopfkissen einschlug und sich dann darauf sinken ließ. »Ich muss diesen Quatsch jetzt lesen.«
Wenn Bernd von seiner glücklichen Kindheit sprach, dann war davon die Zeit ausgenommen, als er im Alter von vier Jahren für mehrere Monate nach Aschau in die Kur geschickt wurde. Wahrscheinlich aufgrund von Kalziummangel hatte Bernd eine Trichterbrust entwickelt. Diese sollte in einer Kinderklinik in
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