BE (German Edition)
Widerstands spielen wollte, war in den deutschen Medien schon im Vorfeld der Produktion mit wenig Begeisterung aufgenommen worden. Tom Cruise war jemand, der auf Talkshow-Sofas herumhüpfte und an Außerirdische glaubte. Dem traute man keine Integrität zu. Dass da nun »die Paula« »den Bernd« anrief, konnte nur eines bedeuten: Paula Wagner brauchte einen deutschen Co-Produzenten. Nicht nur, um Drehgenehmigungen und Fördergelder zu bekommen – sie brauchte jemanden, der sich in Deutschland hinter das Projekt stellte. Einen Lobbyisten. Wagner, Cruise und der Regisseur Bryan Singer hatten »Der Untergang« gesehen. Um Bernds Namen benutzen zu können, war Paula Wagner bereit, ihm eine Million Dollar zu zahlen.
»Also, bevor ich da irgendwas sagen kann, muss ich das Drehbuch lesen«, hörte ich Bernd auf Englisch mit seiner tiefen Stimme ins Telefon brummen. Paula Wagner wollte das Drehbuch jedoch nicht herausrücken. »Aber es ist Tom Cruise, Bernd, Tom Cruise!«, war ihre Antwort. Ihrer Meinung nach war der Name Tom Cruise (und eine Million Dollar) Argument genug, damit Bernd sich auf ein Projekt einlassen würde, ohne das Drehbuch gelesen zu haben und bei dem schon im Vorfeld klar war: »Das gibt Mecker!« (um hier Bernds Lieblingssatz und eine unserer stehenden Redewendungen aus Bernds Zeichentrickproduktion »Werner –Beinhart!« von 1990 zu zitieren).
Bernd ließ sich nicht darauf ein.
»Es tut mir leid, Paula, aber ich drehe dieses Jahr selbst einen Film« (im August sollten die Dreharbeiten zu »Der Baader Meinhof Komplex« beginnen), »da bin ich viel zu beschäftigt, als dass ich dir helfen könnte … und ohne das Drehbuch gelesen zu haben, geht’s sowieso nicht.«
Wenn einer wusste, wie brisant das Thema Drittes Reich in Deutschland ist, dann Bernd. Einer Hollywoodproduktion zu vertrauen und für sie den Kopf hinzuhalten, ohne das Drehbuch zu kennen, wäre wahnwitzig gewesen. Nach dem Telefonat standen Bernd und ich uns gegenüber. Bernd immer noch in seinen verknitterten Boxershorts und mit zerrauften Haaren. Er lächelte mich an mit einer Mischung aus Nervenkitzel, Zweifel und Erleichterung.
»Fuck me, eine Million Dollar – schon ’ne Menge Holz!«, lachte er sein Piratenlachen. »Aber wenn die das Drehbuch nicht rausgeben, dann kann das nichts Gutes heißen. Die wollen doch nur, dass ich für Tom Cruise die Kastanien aus dem Feuer hole. Für den hänge ich mich nicht aus dem Fenster, auch nicht für ’ne Million! Und überhaupt, ich bin fertig mit dem Thema. Ich kann’s einfach nicht mehr sehen … noch mal die Uniformen, noch mal das ›Sieg Heil‹-Geschrei und dann ewig dieselben Diskussionen, wenn der Film rauskommt … Nee, du. Bei mir ist Schicht.«
Bernds Vater war also an der Ostfront stationiert. Und obwohl er, wie anscheinend viele Ärzte, die eigene Verwundbarkeit nie wirklich in Erwägung zog, erkannte Manfred Eichinger kurz vor Kriegsende, dass er sich in einer fatalen Situation befand, die drastischer Maßnahmen bedurfte, falls er am Leben bleiben wollte. Also ließ er Bernds Mutter, damals noch Ingeborg Berkmann, ausrichten, dass er sich Fronturlaub geben lassen würde, um sie zu heiraten. Die Möglichkeit, dass Ingeborg, die ihren zukünftigen Gemahl hauptsächlich durch den täglichen Briefverkehr während der Kriegsjahre kannte, seinen Heiratsantrag ablehnen würde, zog Manfred Eichinger nicht in Betracht. Er schlug sich durch, von der Ostfront zurück nach Schellenberg bei Berchtesgaden, Ingeborgs Heimat. Beinahe hätte Manfred Eichinger es nicht zu seiner eigenen Hochzeit geschafft. Den Zug, in dem er saß, hatte das deutsche Militär in einem Tunnel auf einen entgegenkommenden Zug prallen lassen. Man wollte verhindern, dass die Alliierten den Tunnel benutzen und weiter nach Deutschland vordringen würden. Drei Tage waren Manfred Eichinger und die anderen Insassen der beiden Züge ohne Wasser und Verpflegung eingeschlossen. Niemand wusste, ob und wann sie je wieder herauskommen würden. Ingeborgs Mutter hatte schon die Befürchtung, der Zukünftige ihrer Tochter würde sie sitzenlassen. Das gesamte Dorf nahm sowieso an, dass Ingeborg heiraten »musste« und man sie ohne Mann, nur mit einem Stahlhelm unter dem Arm, verheiraten würde, um dem ungeborenen Kind einen ehelichen Namen zu geben. Der Bräutigam schaffte es dann aber doch noch zu seiner Braut, und die beiden heirateten am 24. Februar 1945.
Nach Kriegsende zog Ingeborg mit ihrem frisch angetrauten Gemahl
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