BE (German Edition)
von den Bergen ins flache Donautal, wo Bernds Großvater eine Landarztpraxis hatte, die Bernds Vater einmal übernehmen sollte. Ingeborg, die in den Büros der Constantin Film aufgrund ihrer Durchsetzungskraft und kernigen Energie auch gerne mal »der General« genannt wurde, hatte wenig gute Erinnerungen an die ersten Jahre ihrer Ehe. Da waren der cholerische Schwiegervater, ein vom Krieg traumatisierter Ehemann und ihre unendliche Sehnsucht nach ihren Bergen. Schon im ersten Ehejahr dachte Ingeborg über Scheidung nach. »Doch dann«, so erinnert sie sich, »war das erste Kind (Monika) unterwegs, das ich nicht vaterlos machen wollte, bevor es überhaupt zur Welt kam, und ich wusste: ›Nun bleibt mir nur noch der Kampf.‹«
Während Bernds Mutter das Familienleben mit Mann und Kindern als Kampf empfand, erinnerte sich Bernd immer gerne an die frühen Tage seiner Kindheit. Für ihn waren das Tage der absoluten Freiheit. Die Familie wohnte auf einem Bauernhof zur Untermiete. Nebenan befand sich eine Pferdeschmiede, deren Tor immer offen stand und wo es zischte und rauchte und die Pferde wieherten. Trotz des Protests seiner Eltern lief Bernd wie die anderen Dorfj ungen vom ersten warmen Frühlingstag bis zum Ende des Sommers barfuß durch die Gegend. Das Bauernehepaar, bei dem die Eichingers zur Miete wohnten, war kinderlos. Und so sahen sie es denn relativ gelassen, dass Bernd und seine Schwester Monika ständig Unfug trieben.
»Der Moni saß immerzu der Schalk im Nacken. Ständig hat sie sich irgendwelche Streiche ausgedacht, und die haben wir dann gemeinsam ausgeheckt. Im nachhinein denke ich mir, dass das für die Erwachsenen ziemlich anstrengend gewesen sein muss. Aber wir hatten natürlich einen Riesenspaß. Und wir wussten auch, dass wir bestraft werden würden. Aber das war uns egal. Das war uns der Spaß wert. Einmal – wir hatten die Mauer umgestoßen, die der Bauer zwei Tage lang gemauert hatte – wollten wir dem Bauernehepaar einen Kuchen zur Entschuldigung backen. Das fanden die Erwachsenen natürlich großartig. Nur eben dass wir alle möglichen ungenießbaren Zutaten, wie Asche und Senf, in den Teig mischten. Das kam natürlich gar nicht gut an. Aber uns einfach zu entschuldigen und zu tun, was die Erwachsenen gut fanden, das wäre gegen unsere Ehre gegangen.«
Monika liebte ihren kleinen Bruder abgöttisch, und Bernd liebte seine Schwester. Ich habe sie nur zweimal getroffen, denn sie verstarb im August 2006 im Alter von sechzig Jahren. Damals war sie schon sehr krank. Aber auf allen Fotos, die ich von ihr gesehen habe, wirkt sie voller Leben und ihre Augen blitzen.
Moni war der Liebling des Vaters, und Bernd war der Liebling der Mutter. Während der Vater Moni seinen Patienten immer stolz als das »perfekte Kind« präsentierte, war Bernd das »Erholungskind« der Mutter, weil er als Kleinkind immer »so lieb und ruhig« war, ganz im Gegensatz zur quirligen Moni.
Tagebuchaufzeichnung von Bernds Mutter (2006)
Bernd war das Gegenteil seiner Schwester Monika: immer hungrig, immer rundlich, aber dafür immer gemütlich. Ein ausgesprochenes Erholungskind. Aber er verlangte auch generell die doppelte Portion an Nahrung und unterstützte seine Forderung durch lautes Geschrei. Natürlich war er für den ärztlichen Schönheitsbegriff meines Mannes zu dick … Bernd war von klein auf ein ausgesprochener Genussmensch. Wenn er keine Lust zum Spielen hatte, machte er sich selbst »gute Speise«, wie er es nannte: Haferflocken, Schokolade und Milch, was immer in der Küche für ihn bereitstand, denn er liebte süße Sachen. Mit dieser »guten Speise« legte er sich in einen Liegestuhl und genoss! Da war er höchstens vier.
Bernds Kinderfotos zeigen ihn als kleinen Brocken mit dickem Kopf und stämmigen Beinen, der so gar keine Ähnlichkeit mit seinem späteren Äußeren haben sollte. Ich kenne sonst niemanden, dessen Kinderfotos so wenig von der späteren Erwachsenengestalt erahnen lassen.
Bernds Schwester Moni war es, die ihm sein erstes Kinoerlebnis bescherte. An seinen ersten Film konnte sich Bernd nicht erinnern. Aber er dachte gerne daran zurück, wie er sich als kleiner Junge mit seiner Schwester ein Kinderzimmer teilte. Und wenn die beiden abends im Bett lagen und nicht schlafen konnten, erzählte Moni ihm, dass die Schatten, die durch den Mondschein und die sich bewegenden Wolken und Gardinen an die Wand des Kinderzimmers geworfen wurden, der Schein des Filmprojektors aus dem
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