BE (German Edition)
Filmemacher bis in die letzte Faser seines Körpers. Er hat, wie er oft sagte, »Film geatmet«. Und weil Film in erster Linie Geschichtenerzählen ist – jedenfalls Film, wie Bernd ihn begri. –, will ich nun seine Geschichten erzählen. So kann ich ihn weiteratmen lassen. So gebe ich den flüchtigen Aromen der Erinnerungen wieder eine gewisse Plastizität.
Bernd wurde in Neuburg an der Donau geboren. Am 11. April 1949 um 13 Uhr 15. Sein Vater Manfred Eichinger war Landarzt in dem nahe gelegenen Rennertshofen und wurde besonders als Geburtshelfer geschätzt. Doch weil seine Frau Ingeborg vor Bernds Geburt eine Fehlgeburt erlitten hatte, kam Bernd, anders als seine drei Jahre ältere Schwester Monika, im Krankenhaus von Neuburg zur Welt. Zu seinem ersten Geburtstag ließ eine Patientin des Vaters ein Horoskop für Bernd erstellen. Das Original ist mit Schreibmaschine getippt und in ein Fotoalbum geheftet, das ihm seine Mutter schenkte, als Bernd 1979 die Constantin Film übernahm. Nun mag man von Horoskopen halten, was man will, aber der Text ist wirklich erstaunlich. Und wer Bernd kannte, wird ihn darin sicher wiedererkennen:
Horoskop von Bernd Eichinger, erstellt am 8. 3. 1950
Aszendent in Löwe, allgemein ein starker, stolzer und kühner Charakter mit ausgeprägter, eigener Individualität. Der Wille und das Selbstbewusstsein sind dabei immer stark betont. Die Sonne (…) deutet auf dominierenden Ehrgeiz und das Streben nach hoher sozialer Position, aber auch überragende persönliche Fähigkeiten, die solche erstrebten Positionen auch erreichen lassen. Die Sonne im Zeichen Widder betont das Willenselement. (…) Er braucht Taten und Erfolge, um seinen brennenden Ehrgeiz zu befriedigen. (…) Er ist eine richtige Führernatur, der die anderen durch das eigene Beispiel mitreißt. Allerdings nimmt er auf andere, die nicht mitkönnen, wenig Rücksicht, da er Schwäche und Entmutigung einfach nicht versteht. Er scheut kein Wagnis und fordert darum denselben persönlichen Mut auch von allen anderen. Die ihn aber nicht haben, werden ihn darum als draufgängerisch und rücksichtslos empflinden. Aber tatsächlich ist er großzügig und auch gönnerhaft, keineswegs ein Unterdrücker der Schwächeren. (…) Im Denken stark subjektiv, was ein echtes und gefühlsmäßiges Verstehen der anderen abschwächt. (…) Modern im Denken, Liebe für Sensationen, (…) in Kleinigkeiten nervös und ungeduldig, (…) geringe Klarheit im alltäglichen praktischen Denken. (…) Der Kleinkram des Alltags wird als zu gering erachtet, um ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken, da die große Konstellation im Widder an der Spitze vom 10. Haus zu stark die Großzügigkeit im Planen und Handeln betont. (…) Sonne Quadrat Jupiter gibt Neigung zum Großartigen und zur Übertreibung der Großzügigkeit, als zeitweise zur Verschwendung und Unbedachtsamkeit.
Mars Opposition Neptun deutet auf einen Zwiespalt zwischen Tat und Phantasie, sodass der Geborene sich bisweilen in seinen Vorsätzen übernimmt. Im Vordergrund der Persönlichkeit steht jedenfalls das Willens- und Tatleben, der starke Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein. Es ist ein außergewöhnliches Horoskop! Die Sonne am MC mit drei vorangehenden Planeten lässt zweifellos eine bedeutende Laufbahn erwarten, einen klangvollen Namen, eine machtvolle Position, Ruhm, Ehre aufgrund eigener Leistungen, Bekanntwerden im In- und Ausland.
Bernd bekam dieses Horoskop erst im Alter von dreißig zu lesen, von einer »self-fulfilling prophecy« kann also keine Rede sein. Trotzdem hat es ihm natürlich gefallen. Und jedes Mal, wenn in unserem Bekanntenkreis ein Kind geboren wurde, ließen wir diesem Kind als Geschenk an die Eltern und den späteren Erwachsenen ein Geburtshoroskop erstellen.
Bei den Eichingers handelt es sich um Rückkehrer aus den USA. Manfred Eichingers Vater, also Bernds Großvater, war in Brooklyn zur Welt gekommen. In unserem Haus in Los Angeles hing immer ein Foto, das Bernds Großvater als Kind mit seinen Geschwistern und Eltern zeigt, und das in einem Fotoatelier in Brooklyn aufgenommen worden war. Dunkelhaarige, stämmige Menschen, der Urgroßvater mit Schnauzer und die Urgroßmutter im bürgerlichen Rüschenkleid. Bernds Vorfahren waren eine von 67 Eichinger-Familien, die um 1900 in Nordamerika lebten – die meisten davon in New York. Sie waren ausgewandert, weil die Familienbrauerei an ein anderes Familienmitglied gegangen war und sich ihnen in Deutschland keine
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