Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
Ich gehe mit Thomas an der Seine entlang spazieren, als eine Gruppe Männer uns attackiert, Thomas verprügelt und mich mit sich fortschleppt. Mein Laken ist schweißnass. Ich bin völlig durchgeschwitzt und ich schluchze heftig. Ich wünsche mir sehnlichst, dass Thomas jetzt hier wäre und mich festhalten könnte.
Im Badezimmer nehme ich eine lange heiße Dusche und drehe das Wasser voll auf. Ich wasche meine Unterarme und meine Füße, aber meinen restlichen Körper kann ich irgendwie nicht mit dem Waschlappen berühren. In schmerzlichen und demütigenden Bildern kommen in mir Erinnerungen hoch, wie ich zum Beispiel sage: »Ich bin ein schmutziges Mädchen« und mich dabei für wunderbar verrucht halte. Bei den Worten krampft sich mein Magen zusammen.
In der Schule scheinen alle es irgendwie schon zu wissen. Das ist sofort zu spüren, als ich in die erste Unterrichtsstunde gehe. George sitzt mutterseelenallein, und die Übrigen, die mit den beiden immer viel zusammen gemacht haben, starren Zack und mich wütend an. Patty ebenso. Tina dagegen schaut mich so entgeistert an, als hätte sie gerade ein Gespenst gesehen.
Mir rutscht das Herz in die Hose. Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass die anderen es wissen könnten.
In diesem Augenblick tritt Mme Cuchon in die Klasse und ruft mich zu sich.
Auf dem Weg in ihr Büro male ich mir aus, dass ich zurück nach Hause geschickt werde. Ich kann nicht fassen, wie verrückt sich die Sache bei La Zebre entwickelt hat! Mme Cuchon muss entsetzt sein, dass sich eine ihrer Schülerinnen vor Zuschauern ausgezogen hat.
Als Mme Cuchon die Bürotür hinter sich schließt, dreht sie sich um und blickt mich direkt an. In ihrem verzerrten Gesicht spiegeln sich widerstreitende Emotionen.
»Madame Cuchon«, durchbreche ich die furchtbare Stille. »Es tut mir so 1...«
Sie hebt die Arme, und einen Augenblick lang denke ich, dass sie mich schlagen wird. Ich schließe die Augen, weil ich weiß, dass ich es verdiene. Noch nie habe ich mich so schrecklich und so nutzlos gefühlt. Ich verdiene es zu leiden. Wie konnte ich bloß so dumm sein?
Aber sie schlägt mich nicht. Stattdessen nimmt sie mich in die Arme und drückt mich weinend an sich. »Oh, Olivia, mein armes, armes Mädchen«, sagt sie, und mir kommt es so vor, als müsste ich sie jetzt stützen. »Wie ist das passiert? Wie konnte das nur in meinem Programm passieren?«
Dicke Tränen strömen aus meinen Augenwinkeln. »Ich weiß es nicht... Ich dachte, dass Zack und André bei mir sind«, heule ich. »Es tut mir so leid ...«
Nach einer Weile löst sich Mme Cuchon von mir und setzt mich mit einer Packung Taschentücher auf die braune Ledercouch in ihrem Büro.
»Wie kommt es, dass alle davon wissen?«, frage ich sie schließlich, als ich mich wieder etwas beruhigt habe.
»Zack hat mich Freitagnacht angerufen, als ihr ohne ihn aus der Bar verschwunden seid«, erklärt Mme Cuchon. »Das hat ihn total erschreckt. Er dachte, ich könnte dich vielleicht vor ihm finden, und dass wir zu zweit mehr Orte nach dir absuchen könnten.«
»PJ«, sage ich leise. »Er hatte Angst, dass ich genauso verschwinde wie sie.« Dieser Gedanke hallt in meinem Kopf wider.
Dass Zack solche Ängste ausstehen musste, nur weil ich so dumm gewesen war, mit Drew mitzugehen! Leise weine ich um Zack. Ich bin mir bewusst, was für ein guter und treuer Freund er mir ist.
»Ja, PJ. Genau. Zack ist dann schnurstracks zu Drew gefahren, wohin Drew dich ja auch wirklich gebracht hatte«, sagt Mme Cuchon zu mir. »Erinnerst du dich noch?«
»Ja, dunkel.« Ich wische mir über die Augen. Zumindest erinnere ich mich daran, dass ich mich irgendwann nur noch halb bekleidet in einem Raum befand, in dem außer mir nur Männer waren, die mich anstarrten. »Mir war ziemlich schlecht.«
»Drew ist aus dem Programm rausgeworfen worden«, fährt sie fort. »Er ist gestern nach Connecticut zurückgeflogen. Er bekommt auch keinerlei Credits für die Arbeit, die er bereits in diesem Schulhalbjahr geleistet hat.«
»Oh nein.« Ich fühle mich grauenvoll, gleichzeitig aber auch erleichtert.
»Er hat eine ziemlich wichtige Gastfamilie dieses Programms in Misskredit gebracht«, erklärt Mme Cuchon. »Ich musste ihn heimschicken.«
»Haben Sie es auch Madame Rouille erzählt?«
»Ja, Olivia, das musste ich. Sie ist gekommen und hat dich nach Hause gebracht. Zu diesem Zeitpunkt warst du nicht mehr bei Bewusstsein. Ich war auch dabei.« Wieder legt Mme Cuchon
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