Tausendundeine Nacht mit dir
1. KAPITEL
Verzweifelt konzentrierte Belle sich darauf, nicht in Panik auszubrechen.
Der Boden, auf dem sie lag, war hart und rau. Sie wünschte, sie würde mehr tragen als den dünnen Badeanzug. Das Schaben der eisernen Fesseln an Hand- und Fußgelenken ließ sich aushalten, wenn sie still lag und sich nicht zu viel bewegte.
Dennoch … den bitteren Geschmack von Angst auf der Zunge konnte sie nicht loswerden. Auch nicht die brutalen Bilder, die unablässig vor ihrem geistigen Auge abliefen.
Zitternd sah sie zu Duncan. Ihr Kollege war blass, doch immerhin schlief er. Sie hatte sein verletztes Bein geschient und abgebunden, so gut es ihr möglich gewesen war. Wenigstens war es ihr gelungen, die Blutungen zu stoppen. Mehr konnte Belle nicht für ihn tun.
Beten vielleicht.
In den letzten dreißig Stunden hatte sie kaum etwas anderes getan. Seit ihre Entführer sie auf diesem gottverlassenen Inselflecken in dieser halb verfallenen Holzhütte zurückgelassen hatten.
Gestern war sie auf Erkundung gegangen, auf der Suche nach irgendetwas, das ihnen helfen könnte, von hier zu entkommen. Wäre sie in der Lage gewesen, aufrecht zu gehen, hätte sie diese Insel innerhalb von fünf Minuten umrundet.Ein kahles Atoll, ein paar Palmen und diese Hütte, mehr gab es hier nicht. Absolut nichts.
Belle warf einen Blick zu der Wasserflasche, die die Entführer ihnen dagelassen hatten. Der Inhalt war erschreckend geschwunden. Seit Sonnenaufgang hatte sie nichts mehr getrunken, Duncan brauchte das Wasser nötiger als sie. Die Zunge klebte ihr am Gaumen. Waren sie hier ausgesetzt worden, um zu sterben? Ihr leerer Magen rumorte laut bei dem Gedanken.
Das alles ergab überhaupt keinen Sinn. Nicht die brutalen Kerle, die sie von Bord des Forschungsschiffes entführt hatten, nicht, dass man sie hier zurückgelassen hatte. Duncan und sie waren nicht gerade die typischen Entführungsopfer, keiner von ihnen war reich oder mächtig. Bei der Erforschung des gesunkenen Handelsschiffes aus dem ersten Jahrhundert hatten sie sehr genau darauf geachtet, die hiesigen Sitten und Moralvorstellungen nicht zu verletzen. Jeder in Q’aroum war freundlich und hilfreich zu ihnen gewesen.
Belle kaute an ihrer Lippe und blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. Nein, sie würde nicht in Panik ausbrechen, nur weil die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Meeresarchäologen eher verdursten als gerettet würden, relativ hoch war. Das Arabische Meer war groß, und diese Insel war sicher nicht einmal auf einer Karte verzeichnet.
Sie zwang sich, an zu Hause zu denken, an ihre Familie in Australien. Falls sie gerettet wurden, würden ihre Mutter und ihre Schwester sie mit offenen Armen empfangen. Nein, nicht falls. Wenn.
Belle presste die Handballen auf die brennenden Augen. Sie hatte keine Minute geschlafen, die Erschöpfung verlangte ihren Tribut. Das Zittern hörte auch nicht auf, ließ sich einfach nicht kontrollieren.
Mit schwerem Herzen legte sie sich auf die Holzbohlenzurück. Selbst wenn sie keinen Schlaf finden würde, sie musste sich ausruhen. Sie brauchte ihre Kraft.
Das Heulen des Windes weckte sie auf. Die Hütte ächzte im Sturm.
Belle öffnete die Augen und wusste sofort, wo sie sich befand. Und dass sie nicht mehr allein in der Hütte waren.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, der Atem stockte ihr, als sie einen Mann über Duncan gebeugt sah. Eine Taschenlampe stand auf dem Boden und warf gespenstisches Licht auf das zernarbte Gesicht des Mannes. Er hatte graues Haar, ein Gewehr hing über seiner Schulter, und auf dem Boden neben seinem Stiefel lag ein großer Krummdolch, das Äquivalent eines Bärentöters.
Der Mann streckte die Hand nach Duncans Hals aus. Belle wurde klar, dass sie schnell handeln musste. In seinem Zustand war ihr Kollege unfähig, sich zu wehren.
Ihre steifen Muskeln begehrten gequält auf, als sie sich bewegte. Vorsichtig tastete sie nach dem Dolch und bekam den Griff zu fassen. Der Dolch war schwer, das tödliche Gewicht lag bleiern in ihrer Hand.
Der Eindringling fasste Duncan an die Kehle, und in diesem Moment rappelte Belle sich auf die Knie auf. Die Bewegung, so ungelenk und steif sie war, überrumpelte den Mann. Belle hielt ihm die Schneide des Dolchs an die Kehle.
„Wenn Sie sich rühren, sind Sie tot.“ Ihre Stimme klang rau und heiser.
Einen Moment herrschte absolute Stille. Dann umklammerte plötzlich eine Hand Belles Finger und drückte unerbittlich zu.
„Langsam, kleine Wildkatze“, hörte sie eine
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