Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
meint, mich zu besitzen. Da gab es ein Bild von uns auf der Cinco-de-Mayo-Parade, wo ich wie ein kleines Kind auf seinen Schultern sitze. Dann waren noch viele vom Strand, mit mir sonnengebräunt im Bikini, die Arme um seine Taille geschlungen. Ich habe mich auf all diesen Fotos entmarkieren lassen und Vince anschließend aus der Liste meiner Freunde gelöscht.
Danach habe ich weitergesucht und Drews Seite auf meiner Freundesliste gefunden. Das Foto auf seiner Profilseite zeigt ihn und George, wie sie mit einer dieser Straßenkünstlerinnen, die sich golden anmalen und dann stundenlang völlig regungslos auf den Stufen des Place Trocadero stehen, gerade eine lüsterne Pose machen. George und Drew haben irgendjemanden dabeigehabt - höchstwahrscheinlich Kyle -, der eine ganze Serie von Aufnahmen gemacht hat, wie die beiden Jungs die statuenhaft dastehende Frau dazu bringen wollten, sich doch zu bewegen. Auch ihn habe ich gelöscht. Und dann noch George.
Mme Cuchon hat mir gesagt, dass Drew in einer Besserungsanstalt in Maine ist. Sollte er versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen, soll ich nicht antworten, auch wenn er gute Absichten zu haben scheint. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Drew mir einen Brief schreibt, in dem er mir sagt, es täte ihm leid. Der bloße Gedanke daran bringt mich schon zum Lachen - das gehört überhaupt zu den wenigen Dingen, die mich in letzter Zeit noch lachen lassen. Als wäre ich irgendein Psycho. Ich kann sogar stundenlang darüber lachen.
Nach einer Weile kehrt Alex in Mme Sanxays Zimmer zurück, um nach mir zu sehen. Ich habe sie noch nie so mütterlich erlebt. Sie macht ein totales Getue, betüttelt mich und will ganz sichergehen, dass ich es auch wirklich bequem habe.
»Diese Kinder haben dich echt verändert, Alex«, bemerke ich. »Aber im Ernst, du kannst wirklich zur Party zurück.«
»Alex!«, brüllt Zack da aus der Eingangsdiele. »Das halbe Lycée steht unten vor dem Haus versammelt!«
»Oh!«, ruft Alex zurück. »Na gut, kümmere dich darum, dass sie alle Alkohol dabei haben!«
»Alex«, schniefe ich. »Ist das nicht die Wohnung deiner Chefin? Bist du sicher, dass du jetzt hier feiern solltest?«
Aber sie zuckt nur geistesabwesend mit den Schultern und wirft eine schöne Häkeldecke vom Fußende über mich. »Ich freue mich so, dich zu sehen. Und ich habe mich wirklich verändert. Du wirst schon sehen. Wart's nur ab. Ich werde alles in Ordnung bringen, was euch heute Abend auch immer zugestoßen ist, und wiedergutmachen, dass ich davor nicht voll und ganz für euch da war.« Sie sieht entschlossen aus. Alex liebt Herausforderungen.
»Oh, ich bin mir aber nicht sicher, ob du das hier in Ordnung bringen kannst«, wende ich ein.
»Erzähl mir doch erst mal, was passiert ist«, fordert sie mich auf.
»Alex, komm mal her!«, ruft Zack ein Stück entfernt aus dem Flur. »Wo sind die Gläser?«
»Warte kurz!«, ruft Alex zurück. »Also, erzähl's mir, Livvy.«
»Ich stecke ziemlich in der Klemme.«
Alex sieht betroffen aus. »Bist du schwanger?«, flüstert sie. »Was hast du jetzt vor?«
»Nein, ich bin nicht schwanger!« Ich lache kurz auf. »Es ist - Madame Rouille ist echt total sauer auf mich -«
Ich kann hören, wie Nathan etwas über die laute Musik hinweg ruft. »Das Spiel nennt sich Landminen«, erklärt er einer Gruppe französischer Schüler. Ich wette, er hat gerade eine Euro-Münze hervorgekramt und zeigt ihnen, wie man sie so schnalzen lässt, dass sie kreiselnd über den Tisch rollt. Da alle schon angetrunken von einer anderen Party hergekommen sind, werden sie die Münze nicht zum Kreiseln bekommen, und so werden alle noch mehr trinken und noch besoffener werden. Aus dem Wohnzimmer hört man lautes Jubeln und Pfiffe.
»Ich glaube, wir werden heute ein paar Franzmänner bezwingen!«, höre ich Sara-Louise rufen. »Wir trinken sie unter den Tisch!«
Zack streckt seinen Kopf durch die Tür. »Nebenan weint das Baby, Alex!« Es ist nicht zu übersehen, dass er betrunken ist, weil eine Seite seines Hemdkragens hochgeschlagen ist, die andere nicht. Im nüchternen Zustand würde Zack das nie passieren. »Lass deine Magie walten!« Damit joggt er zurück zur Party.
Alex springt auf. »Das Baby! Ich muss Charles holen. Bin gleich wieder da.« Sie schließt die Tür hinter sich.
Ich lege mich hin, kicke meine Lammfellstiefel von den Füßen und starre auf das gedimmte Licht über Mme Sanxays luxuriösem Bett. Als ich mich zur Seite drehe, weg von
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