Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
versprochen, dir zu helfen. Warum hast du mir nicht geglaubt? Bedeuten meine Versprechen denn niemandem etwas?« Die Worte klingen selbst in meinen Ohren falsch und hohl. Vor allem in Anbetracht der schwergewichtigen Informationen, die ich in Mme Cuchons Büro belauscht habe - und die ich noch immer keiner Menschenseele erzählt habe.
PJ zuckt mit den Schultern. Ich kann nicht erkennen, ob sie wütend ist oder sich nur geschlagen gibt. »Du kannst uns jetzt helfen.«
Ich räuspere mich. »Und das werde ich auch«, sage ich entschlossen. »Ganz bestimmt. Ihr müsst nur mit mir hochgehen und versuchen, dabei möglichst von keinem gesehen zu werden.«
Sie nicken. Bevor wir die Wohnung betreten, schreibe ich Zack eine SMS.
Geh mit allen in die Küche, weise ich ihn an. Spiel ein Trinkspiel, bis ich reinkomme, okay?
Zacks Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Verstanden. Was ist los? Wilde Machenschaften?
Erklär ich Dir später.
Nachdem die Luft im Wohnzimmer rein ist, scheuche ich Olivia und PJ in den hinteren Teil der Wohnung. PJ bringe ich in dem Raum mit dem Baby unter. Neben der Krippe steht eine Liege, für den Fall, dass Charles mal krank ist oder er lange weint, aber bisher hat niemand sie je benutzt. »Er schläft ziemlich tief und fest«, sage ich erstickt. Plötzlich plagen mich doch Gewissensbisse. »Du kannst hier drinnen schlafen, hier wird dich niemand stören. Wenn er aufwacht, kann er dich auch nicht verraten. Er kann nämlich noch gar nicht sprechen.«
Olivia kommt in Mme Sanxays großem Himmelbett unter.
»Erzählst du mir alles?«, frage ich sie, als sie schon halb schläft. »Morgen früh?« Aber sie antwortet mir bereits nicht mehr.
Danach kehre ich in Charles Zimmer zurück, um noch mal nach PJ zu sehen. Sie sitzt auf dem Rand der Liege und lauscht im Schein der Nachtlampe Charles Atemzügen. Ihre Lippen schimmern bläulich und sind leicht geöffnet.
»Was ist euch heute Abend eigentlich genau passiert?«, frage ich.
PJ lacht kläglich. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
»Am besten ganz am Anfang«, entgegne ich.
»Gut, das wäre dann der erste Tag des >Programme Amèricain<. Der Tag, an dem die Marquets nicht aufgetaucht sind, um mich abzuholen.«
»Ach, du wärst echt besser dran gewesen, wenn sie überhaupt nie aufgetaucht wären«, sage ich und ringe die Hände.
PJ bleibt lange stumm. Ich bin mir nicht sicher, warum ich überhaupt dachte, sie würde mir von heute Abend erzählen. »Wieso hast du das gesagt, Alex?«, fragt sie mich schließlich.
Ich lache. »Ach, ich weiß nicht.«
»Nein, ganz im Ernst.« PJs Ton ist sehr ernst, fast schon kühl. »Wieso hast du das gesagt? Was weißt du von den Marquets?«
Erst da wird mir klar, dass PJ noch keinem erzählt hat, wie zwielichtig die Marquets wirklich sind. Und ich habe es mir im Grunde genommen nur aus kleinen Fetzen und Bruchstücken zusammengereimt. Aber es ergibt Sinn: PJ ist weggelaufen, ohne irgendjemandem zu sagen, wieso. Olivia und ich hätten M. Marquet nie zugetraut, dass er so ein Widerling ist, wenn Olivias Gastmutter ihr nicht ihre eigene Geschichte erzählt hätte. Und das ist lange her und hat sich auf einer Feier unter Erwachsenen abgespielt und nicht zwischen Gastvater und ausländischer Gastschülerin. Was meine Überzeugung so gefestigt hat, dass M. Marquet der eigentliche Grund für PJs Flucht war, war vor allem das Telefonat, das ich in Mme Cuchons Büro belauscht habe ... nichts anderes.
»Oh, sie haben auf mich immer einen ziemlich seltsamen Eindruck gemacht. Sie sind ja auch andauernd aus der Stadt rausgefahren, weißt du. Kinderlos. Und so was alles.«
»Alex, gibt es etwas, das du mir verschweigst?« Sie hat ihre Augen zusammengekniffen und macht mir irgendwie sogar ein bisschen Angst.
»Sie hat es die ganze Zeit gewusst«, platzt es aus mir heraus. »Madame Cuchon war klar, dass Monsieur Marquet ein Lustmolch ist, aber sie hat dich trotzdem in seine Obhut gegeben. Das habe ich alles herausgefunden, als ich ein Telefongespräch belauscht habe. Die Marquets spenden der Schule viel Geld, und zwar deshalb, weil ihnen das in den Augen der Wähler einen internationalen Anstrich gibt. In der Dordogne ist das wichtig, weißt du?«
»Alex, du hast das gewusst?« PJ zieht verächtlich die Augenbrauen hoch. »Warum hast du mir das nicht erzählt?«
»Ich habe es gerade eben erst herausgefunden«, entschuldige ich mich. »Und außerdem bist du ja jetzt nicht mehr bei ihnen. Also ist es auch
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