Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt
dadurch, daß die Lebensdauer des Protons im Rahmen der ersten Großen Vereinheitlichten Theorie von H. Georgi und S. Glashow 1974 abgeschätzt werden konnte. Für die Lebensdauer des Protons ergab sich die unvorstellbar lange Zeit von 10 30 Jahren! Ein einzelnes Proton kann demzufolge viel länger existieren, als die gesamte bisherige Lebensdauer des Universums beträgt. Von einem zerfallenden Kosmos würde man deshalb auf unabsehbare Zeiten überhaupt nichts bemerken.
Sterbende Protonen gesucht
Schon die Existenz von uns Menschen ist ein deutlicher Beleg für eine extrem lange Lebensdauer der Protonen. Würden Protonen nämlich nicht mindestens 10 16 Jahre stabil bleiben, müßten wir an der durch den Zerfall der Protonen ausgelösten inneren Strahlenbelastung zugrunde gehen. In unserem Körper befinden sich nämlich rd. 10 28 Protonen. Doch für die Tests der Großen Vereinheitlichten Theorien reicht diese Erkenntnis natürlich nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, die vorhergesagten Lebenserwartungen der Protonen tatsächlich zu messen.
Wie kann man ein zerfallendes Proton experimentell erfassen, wenn es mindestens 10 30 Jahre lang nicht zerfällt? Das Gesetz der großen Zahl eröffnet einen Zugang zur Lösung des Problems. Wenn nämlich ein Proton in 10 30 Jahren zerfällt, dann kann man erwarten, daß von 10 30 Protonen in jedem Jahr eines zerfällt. Die seit etwa 20 Jahren betriebenen Versuche zum Nachweis der Instabilität von Protonen basieren deshalb auch ausnahmslos auf Detektoren, in denen sich enorm viele Protonen befinden. Ähnlich wie bei einer großen Menge eines radioaktiven Elements ständig Atome spontan zerfallen und nach Ablaufzeit der sog. Halbwertszeit die Hälfte aller Atome in ihre Folgeprodukte übergegangen ist, müßten Protonen - wenn auch mit geringer Wahrscheinlichkeit - ständig zerfallen, sofern man eine genügend große Anzahl davon zur
Abb. 16: Prinzipskizze eines Detektors zum Nachweis von Protonenzerfällen. Das effektive Volumen umfaßt 3300 Tonnen Wasser.
Verfügung hat. Experimentell handelt es sich allerdings um eine Aufgabe von erheblicher Schwierigkeit. Erstens muß der Zerfall eines einzelnen Protons innerhalb des Detektors von einigen tausend Tonnen Masse tatsächlich beobachtet werden. Zweitens müssen alle denkbaren anderen Effekte „ausgeblendet“ werden. Auf die Atome des Detektors wirkt nämlich ständig auch die „kosmische Strahlung“ ein, ebenso die natürliche Radioaktivität der irdischen Elemente, aber auch die intensive Neutrinostrahlung aus dem Weltall. Um die Theorie zu überprüfen, muß man sicher sein, daß ein beobachteter Lichtblitz, der über entsprechende Fotoelemente nachgewiesen wird, auch tatsächlich von einem Protonenzerfall stammt. Zur Ausschaltung unerwünschter anderer Effekte werden die Detektoren möglichst gut abgeschirmt, indem man sie in großen Tiefen unter der Erde, z.B. in ausgedienten Bergwerken installiert. Um das Prinzip des Nachweises von Protonenzerfällen zu veranschaulichen, wollen wir die beiden Versuchssysteme beschreiben, die bislang entwickelt worden sind: die Dichtedetektoren und die Wasserdetektoren. Erstere benutzen zum Nachweis des Zerfalls Materialien mit großem spezifischen Gewicht, wie z.B. Stahl oder Beton. Der Detektor ist dann relativ klein, und die Zerfallsprodukte können innerhalb des Detektors relativ leicht aufgefangen werden. Die Detektoren für den Zerfall müssen andererseits relativ nahe beieinander sein, weil die Dichte des Materials groß ist. Die Wasserdetektoren benötigen natürlich ein bedeutend größeres Volumen, da für den Nachweis einer vermuteten Lebensdauer von 10 32 Jahren bereits Tonnen an Masse benötigt werden. Der Vorteil von Wasserdetektoren besteht jedoch darin, daß man die Instrumente nicht so eng anordnen muß, weil die hohe Transparenz des Wassers den Nachweis von Teilchen über größere Distanzen zuläßt.
Ein Dichtedetektor besteht z. B. aus Betonstücken, in denen sich lange Gasröhren befinden. Ein ankommendes Teilchen erzeugt ein elektrisches Signal. Aufgrund der Anordnung der Röhren ist es möglich, die Bahn eines eingedrungenen Teilchens zu rekonstruieren. Bei den Wasserdetektoren geht von dem eingefallenen Teilchen ein Lichtkegel aus (die sog. Cerenkov-Strahlung), der von mehreren Fotoröhren nachgewiesen wird. Aus der Lage der Röhren und dem Winkel der Strahlung kann der Ort abgeleitet werden, an dem das Teilchen aufgetreten ist. Dies
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