Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt
gilt allerdings nur, solange sich die Teilchen im Innern der Masse befinden. Randnahe Ereignisse müssen ausgeschlossen werden, da sie von kosmischer Strahlung oder natürlicher Radioaktivität herrühren könnten und von den eigentlich gesuchten Ereignissen nicht zu unterscheiden sind. Die Folge sind erhebliche Probleme bei der technischen Realisierung. Man benötigt nämlich deutlich größere Volumina der Detektoren als rein theoretisch berechnet. Ein Wasserwürfel von 6 m Kantenlänge besäße z. B. infolge der auszusondernden Randphänomene nur das wirksame Volumen eines Würfels von 2 m Kantenlänge. Um etwa 10 33 Pro-tonen zur Verfügung zu haben, ist daher schon ein Wasservolumen von 10000 Tonnen erforderlich! Eine gedachte Lebensdauer der Protonen von 10 31 Jahren würde in einem solchen Detektor zu rd. 100 Zerfällen pro Jahr führen. Es ist allerdings nicht einfach, geeignete Örtlichkeiten zu finden, um derart große Volumina tief genug unter der Erdoberfläche zu installieren. Gute Abschirmung gegen kosmische Strahlung bei gleichzeitiger guter Zugänglichkeit, wie sie für das langjährige Betreiben der Experimente erforderlich ist, sind die Randbedingungen. Sie werden im allgemeinen von Salz- und Metallbergwerken, in Europa auch durch einige Alpentunnel gut erfüllt. Inzwischen sind von zahlreichen Forschergruppen in den USA, Europa, Indien u. a. Ländern Protonenzerfallsdetektoren in Betrieb - teilweise bereits seit Jahrzehnten. Die Ergebnisse sind durchweg negativ: Es wurden keinerlei Protonenzerfälle registriert. Dies bedeutet nicht, daß Protonen doch stabile Teilchen wären; vielmehr geht aus den Experimenten lediglich hervor, daß die Lebensdauer der Protonen - falls sie endlich wäre - jenseits der durch die Detektoren gesetzten Grenzen liegen müßte. Folglich sollten die Protonen im Ergebnis der Experimente eine Lebensdauer von mehr als 6 · 10 32 Jahren aufweisen. Das entspricht nicht den Erwartungen der Theorie. Damit ist aber die Theorie über das geringfügige Übergewicht der Materie über die Antimaterie in der frühesten Jugend des Universums noch keineswegs widerlegt. Vielmehr basierten ja die Voraussagen über die Lebensdauer des Protons um die 10 31
Jahre lediglich auf einer der zahlreichen Versionen der GUTs. Andere Varianten führen auch zu anderen Werten für die Halbwertszeit der Protonen. Allerdings bringt der experimentelle Nachweis höherer Lebensdauern eine grundsätzliche Schwierigkeit mit sich: Bei einer so geringen Zahl erwarteter Zerfälle kommen die Neutrinos ins Spiel; sie lösen Ereignisse aus, die von den gesuchten mit den gegenwärtig benutzten Detektoren nicht zu unterscheiden sind. Deshalb ist auch ein Durchbruch bei der Klärung dieser Fragen bisher ausgeblieben.
Wie wirkt die Schwerkraft auf Antiteilchen?
Zwar sind die Antiteilchen heute beinahe als eine Trivialität in das physikalische Weltbild integriert, doch bergen sie trotzdem noch ein bisher gänzlich ungelöstes Problem: es ist nämlich noch völlig unbekannt, wie sich Antiteilchen im Schwerefeld eines Körpers aus Teilchen der gewöhnlichen Materie verhalten. Im Rahmen der klassischen und selbst der relativistischen Physik wirkt diese Frage zunächst eher befremdlich, machen doch sämtliche der in ihrem Gültigkeitsbereich wohlbestätigten Theorien auch in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen Teilchen und ihren Antipoden aus der „Gegenwelt“. Warum sollte sich also ein Antiproton oder ein Positron im Schwerefeld der Erde anders verhalten als ein Proton oder ein Elektron? Warum sollte ein Antiapfel anders zur Erde fallen als ein gewöhnlicher Apfel?
Das Äquivalenzprinzip der Schwerkraft besagt, daß die Massenanziehung auf alle Objekte gleich einwirkt, ungeachtet ihrer Beschaffenheit im einzelnen. Da auch Masse und Energie gie nur zwei verschiedene Erscheinungsformen ein und derselben Sache sind, gilt dies auch für Objekte ohne Ruhmasse,
Abb. 17: Materie und Antimaterie im Schwerefeld -ein noch ungelöstes Problem
z. B. Lichtquanten. Die aus der Allgemeinen Relativitätstheorie abgeleitete Vorhersage einer Lichtablenkung im Schwerefeld wurde bekanntlich anläßlich totaler Sonnenfinsternisse auch quantitativ bestens bestätigt. Dennoch gibt es Gründe, die das Unerwartete möglich erscheinen lassen. Auf der Suche nach einer einheitlichen Theorie, die sowohl die Quantenmechanik als auch die Gravitation einschließt, wird zugleich die Gravitation quantisiert werden
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