Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
der Speziellen Relativitätstheorie votierte Albert Einstein (1879–1955) für ein gemeinsames Relativitätsprinzip von Mechanik, Elektrodynamik und Optik. In seiner berühmten Arbeit über die Elektrodynamik bewegter Körper (30.6.1905) stellte er zwei Prinzipien an den Anfang: 1. Das Spezielle Relativitätsprinzip, wonach alle gleichförmig geradlinig zueinander bewegten Inertialsysteme physikalisch gleichwertig sind und 2. das Konstanzprinzip der Lichtgeschwindigkeit, wonach die Lichtgeschwindigkeit c in (wenigstens) einem Inertialsystem konstant unabhängig vom Bewegungszustand der Lichtquelle ist. {25} Die Inertialsysteme, die beide Prinzipien erfüllen, heißen Lorentz-Systeme.
Im Unterschied zu den Galilei-Systemen der klassischen Mechanik gibt es keine universelle Zeit in allen Lorentz- Systemen. Zeitmessung wird weg- und ortsabhängig. Da die Lichtgeschwindigkeit Grenzgeschwindigkeit für jede Signalausbreitung ist, gibt es auch keine absolute Gleichzeitigkeit wie in der klassischen Mechanik, in der Signale momentan mit beliebig großer Geschwindigkeit zu einem beliebig weit entfernten Ort übertragen werden können. Die Beobachtung eines fernen Sterns zeigt uns immer nur seinen früheren Zustand in Abhängigkeit von der Lichtgeschwindigkeit, mit der die Nachricht von diesem Zustand dem Beobachter auf der Erde übertragen wurde.
Während Einstein die Annahme eines Äthers als besonderes materielles Trägermedium für elektromagnetische Wellen aufgab, schränkte der niederländische Physiker Lorentz (1853- 1928) das Relativitätsprinzip auf die Mechanik ein und forderte für die Elektrodynamik ein ausgezeichnetes Bezugssystem, in dem der Äther ruht. Diese Annahme führte Lorentz zu der ad-hoc-Hypothese, daß ein Elektron, also ein Körper der Elektrodynamik, durch die Bewegung eine Kontraktion in der Bewegungsrichtung proportional zur Größe √(1-v 2 /c 2 )erfährt. Dieser Effekt ist heute experimentell bestens bestätigt.
Für Einstein ist dieser Rechenausdruck aber keineswegs nur eine unerklärliche ad-hoc-Hypothese der Elektrodynamik, sondern eine zwingende Folgerung aus den Transformationen der Lorentz-Systeme, die für Mechanik und Elektrodynamik gelten. Als weitere Folgerung ergibt sich für träge Massen m eine Abhängigkeit von der Geschwindigkeit v relativ zu einem ruhenden Beobachter mit m = m 0 /√(l-v 2 /c 2 ), wobei m0 die Ruhmasse des Körpers ist, die in einem Bezugssystem gemessen wird, in dem der Körper ruht. Die sich daraus ergebende Massenvergrößerung für hohe Geschwindigkeiten nahe c wurde für schnelle Elementarteilchen experimentell nachgewiesen.
Für die kinetische Energie E eines Körpers folgt Einsteins berühmte Masse-Energie-Formel E=mc 2 mit der relativistischen Masse m. Abweichungen von den Gesetzen der klassischen Mechanik aufgrund der Abhängigkeit der Masse von der Geschwindigkeit machen sich experimentell nur bei hohen Geschwindigkeiten bemerkbar. Prinzipiell zeigt sich aber nach der Masse-Energie-Formel, daß Masse nur eine spezielle Form von Energie ist; Masse kann zu Energie zerstrahlen – ob zum Segen der Menschheit in der friedlichen Energietechnik oder zu ihrem Fluch bei den Kernwaffen. Damit wurde Einsteins Formel zu einem Symbol des 20. Jahrhunderts. Die vorrelativistische Physik unterscheidet die Erhaltungssätze der Energie und der Masse. In der Speziellen Relativitätstheorie verschmelzen sie zu einem Satz.
2. Materie in der Allgemeinen Relativitätstheorie
Seit 1907 weitete Einstein seine Untersuchungen von gleichförmig geradlinig zueinander bewegten Bezugssystemen auf beschleunigte Bezugssysteme und die Gravitation aus. Anschaulich stellte er sich einen Experimentator in einem geschlossenen Kasten vor, der aufgrund von Messungen an Massen im Kasten nicht entscheiden kann, ob diese Effekte durch eine Beschleunigung des Kastens nach oben (wie bei einem Aufzug) oder durch ein homogenes (d.h. überall gleichwirkendes) Gravitationsfeld (z.B. der Erde) hervorgerufen werden. Dieser Tatbestand läßt sich auch so ausdrücken, daß sich durch Bezug auf ein mit konstanter Beschleunigung frei fallendes Bezugssystem alle Auswirkungen eines homogenen Gravitationsfeldes auf Massen eliminieren lassen. In diesem Fall gelten die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie. In einem frei fallenden System (z.B. Raumkapsel) spürt man tatsächlich keine Gravitation. Einsteins Gedankenexperiment ist heute durch die Astronauten im Orbit realisiert, die
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