Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
geeignet gewählter Skalierung alle Materiepunkte im Mittel gleich verteilt sind, wobei in kleineren Abschnitten aufgrund unterschiedlicher Materiekondensationen einzelner Galaxien durchaus Unregelmäßigkeiten vorliegen. Für einen Beobachter zeigt der Sternenhimmel in der Tat überall und zu jedem Zeitpunkt eine homogene Verteilung der Sterne.
Unter Voraussetzung des Kosmologischen Prinzips lassen sich daher drei Expansionsmodelle des Universums mit konstanter räumlicher Krümmung zu jedem Zeitpunkt als Lösungen der Einsteinschen Gravitationsgleichung ableiten. Man nennt sie (nach ihrem Begründer) Friedmann- oder Standardmodelle. Für den sphärischen Fall läßt sich zu jedem Zeitpunkt ein endliches räumliches Volumen der Welt und ein geodätischer Umfang ausrechnen. In diesem Fall ist also das Universum zu jedem Zeitpunkt endlich, aber unbegrenzt – anschaulich vergleichbar im 2-dimensionalen Fall der Oberfläche einer Kugel. Im euklidischen und hyperbolischen Fall erweist sich das Volumen des Universums zu jedem Zeitpunkt als unendlich.
Nach den Singularitätssätzen von Roger Penrose (1965) und Stephen Hawking (1970) folgt aus der Allgemeinen Relativitätstheorie, daß die kosmischen Standardmodelle eine anfängliche Raum-Zeit-Singularität mit unendlicher Krümmung haben müssen. {29} Kosmologisch wird sie als Urknall (Big Bang) des Universums gedeutet, in dem unendlich hohe Dichte und Temperatur herrscht. Danach expandiert das Universum im sphärischen Fall so lange, bis die Gravitation Oberhand über die Expansionskraft gewinnt, um dann wieder zu kollabieren und in einem unendlich dichten Zustand einer Endsingularität zurückzukehren. Man spricht dann von einem geschlossenen Universum. Möglich wäre in diesem Fall auch ein oszillierendes Universum, in dem sich dieser Vorgang wiederholt. Für die beiden anderen Standardmodelle mit flacher oder negativer Krümmung zu jedem Zeitpunkt nach dem Urknall setzt sich die Expansion unbegrenzt mit jeweils mehr oder weniger großer Schnelligkeit fort. Man spricht dann von offenen Universen.
Neben der Spektroskopie (z.B. Fluchtbewegung der Sterne) liefert heute auch die Radioastronomie wichtige Hinweise für die Expansion des Universums. Eine 1965 von Penzias/Wilson entdeckte homogene und isotrope Mikrowellenhintergrundstrahlung läßt auf eine heiße und dichte Frühphase des Universums schließen. Viele Fragen bleiben zunächst offen, die als Voraussetzungen und Nebenbedingungen der Standardmodelle vorausgesetzt wurden. Warum ist die Materie im Universum so regelmäßig bei kosmischer Skalierung verteilt, wie im Kosmologischen Prinzip angenommen wird? Warum ist die heutige Materiedichte so nah an der kritischen Dichte, nach deren Überschreitung die Gravitation überhand gegenüber der Expansion nimmt und das Universum kollabieren würde? Warum lagen exakt diejenigen Werte physikalischer Konstanten vor, die eine Entwicklung des Lebens ermöglicht haben? In einer vereinigten Theorie von Gravitations- und Quantenphysik (z.B. der Theorie des inflationären Universums) sind die Antworten auf diese Fragen kausal ableitbar. In den Bereich weltanschaulicher Spekulation führen allerdings Fragen der Art, was „vor dem Urknall war“, da Raum, Zeit und Materie in den Standardmodellen erst nach der Anfangssingularität physikalisch definiert sind. Während der Anfangssingularität mit unendlich hoher Dichte und Temperatur versagen die heute bekannten Gesetze.
Zudem sind kosmologische Modelle ohne Anfangssingularität der Materie denkbar. {30} Bereits 1948 hatten die britischen Physiker Bondi, Gold und Hoyle ein stärkeres Kosmologisches Prinzip postuliert, wonach das Universum nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich homogen und isotrop sei. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich ein Steady State Universe, in dem Raum, Zeit und Materie schon immer existiert haben. Um räumlich und zeitlich die Materiedichte des Universums auch bei der beobachteten Fluchtbewegung der Sterne aufrechterhalten zu können, mußte allerdings eine ständige Neuentstehung von Materie angenommen werden. Im Rahmen der heutigen Quasi-Steady State Cosmology werden von Fred Hoyle u.a. Modelle ohne Urknallsingularität diskutiert, in denen eine kontinuierlich weitergehende Materieneubildung durch neu entstehende und vergehende Galaxien das großräumige Bild des Kosmos über alle Zeiten hinweg bestehen läßt.
Stephen Hawking schlägt ein singularitätsfreies Modell vor, nach dem das Universum
Weitere Kostenlose Bücher