Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus?, Die

Titel: Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus?, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Mühsam
Vom Netzwerk:
das, so war für den Seelsorger der Weg frei, der Liebe Vorschriften zu machen; die Priesterschaft, mithin die Kirche, der Staat und jede Autorität konnte sich als Macht da einnisten, wo der Machtbegriff für jedes gesunde Empfinden aufhören müßte, Geltung zu haben. Es gelang durch die erfolgreiche Bemühung, den Geschlechtstrieb als eine von Anbeginn sündige Versuchung der Menschenseele zur Erregung fortwährender Gewissensqualen zu benutzen; denn nur so konnte die Vorstellung erweckt werden, daß die Befriedigung des sinnlichen Verlangens unreines Werk sei, solange nicht äußere Gewalten ihr eine genau zu befolgende Dienstordnung gesetzt hätten. Das Leben verteilt in seinem natürlichen Verlauf Last und Lust in dem Ausgleich, der durch den Charakter einer Persönlichkeit bedingt ist. Den zur Erringung des materiellen Daseins erforderten Anstrengungen und Gefahren steht gegenüber die Freude am Schaffen gesellschaftlicher Werte sowie die Genußfähigkeit beim Betrachten und Einatmen der Natur, bei der Aufnahme künstlerischer Schöpfungen und bei der sinnlichen Begegnung mit dem andern Geschlecht. Die Macht- und Ausbeutungsveranstaltungen der Menschen haben die Anstrengungen und Gefahren bei der Arbeit zur Hervorbringung der Güter auf die beherrschte Klasse abgewälzt, der überdies durch die Formen der kapitalistischen Produktionsweise die Freude am Schaffen gründlichvergällt ist, da der Proletarier weder beschließen kann, was er schafft, noch dank der Teilarbeit unter seinen Händen etwas Nützliches entstehen sieht, noch gar irgend einen Vorteil von seiner Arbeit hat oder auch nur mitbestimmen kann, welchem Verwendungszweck sie zugeführt wird. Der Genuß der Natur ist ihm infolge ungesunder Wohnverhältnisse, Entrechtung bei der Festsetzung seiner Freizeit, ungenügender Ernährung und allgemein unfroher Lebensbedingungen wesentlich geschmälert, die künstlerischen Schöpfungen sind ihm ohnehin kaum zugänglich, da die Zulassung zu ihnen fast immer von Geldaufwand abhängig ist und die herrschende Klasse auch durch die verschiedene Schulung dafür gesorgt hat, daß der beste Teil der Kunst und Dichtung ganz und gar ihrer Sinnesart angemessen ist und folglich dem Verständnis der arbeitenden Massen verschlossen bleibt. Die einzige Freude, welche im Erleben selbst schlechterdings einem Teil der Menschheit durch den anderen nicht gekürzt werden kann, weil die Natur keine Stufenleiter der Lustfähigkeit nach Maßgabe der menschlichen Rechtsunterschiede eingerichtet hat, ist die Beglückung der Sinne durch die Liebe und den Geschlechtsrausch. Hier mußte erst nachhaltige Einwirkung auf die Seele der Menschen erfolgen, hier mußte schlechtes Gewissen geschaffen werden, um selbst in dem einzigen Lebenskreis, der dem Armen noch das Gefühl des Glücks und der Beseligung läßt, die Selbstbestimmung zu beseitigen, die amtliche Bewachung durchzusetzen, Macht und Autorität zu entfalten.
    Mit Hilfe der unbezweifelbaren und unentrinnbaren Autorität Gottes wurde den Menschen weisgemacht, die Befriedigung ihres Geschlechtstriebes könne von der Brandmarkung als Laster nur befreit werden, wenn sie sich innerhalb der Bindung der beiden Eheteilhaber als pflichtmäßige Zweckhandlung zur Kindererzeugung vollziehe; diese Bindung müsse auf Lebenszeit geschlossen werden, bedürfe der Zustimmung und Abstempelung durch Kirche oder Staat, und jede körperliche Vereinigung zwischen Mann und Frau außerhalb der genehmigten Ehe sei sträfliches Tun, im Falle der ehelichen Gebundenheit eines der beiden schändlicher Ehebruch. Die Sicherung dieser Bindung erfolgte durch die naturwidrige Erhebung der Vaterschaft zum geschützten öffentlichen Rechtsgut. Naturwidrig ist das aus der Vaterschaft abgeleitete gesellschaftliche Recht deshalb, weil der Erzeuger eines Kindes immer nur der Mutter bekannt sein, niemals von Dritten festgestellt werden kann, auch Aehnlichkeit und vermeintliche Vererbung von Eigenschaften über Vermutungen hinaus keine Beweiskraft haben. Erst die Uebertragung vorbehaltloser Befehlsgewalt auf den Mann ergab die Möglichkeit, die Vaterschaftsfamilie dadurch zu befestigen, daß die Frau und die Kinder in sklavenhafter Abhängigkeit gehalten und unter eine Aufsicht gezwungen werden, die alle Selbstbestimmung zum Ungehorsam, das Begehen selbstgewählter Wege zur Gefahr macht. Um also die Geschlechtsbetätigung unter die Macht der öffentlichen Zentralstellen zu bringen, stattete man den Kindererzeuger innerhalb

Weitere Kostenlose Bücher