Befreiung vom Schleier - wie ich mich von meinem türkischen Freund und aus der islamischen Parallelwelt lösen konnte
stellten sich meine Sorgen um meine Nachbarin als unbegründet heraus.
Quietschfidel stand sie mir plötzlich im Hausflur gegenüber und strich mir fast zärtlich über die Wange. »Na, Kindchen, da haben Sie aber mächtig Ärger an der Backe«, startete sie einen vagen Versuch, mich zu trösten. Erst jetzt bemerkte ich, wie mir die Tränen in kleinen Sturzbächen das Gesicht hinunterliefen. Angesichts ihres Mitleids konnte ich ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken und begann hemmungslos zu weinen. »Na, na«, stotterte sie etwas unbeholfen, mit so einem starken Gefühlsausbruch hatte sie offensichtlich nicht gerechnet. Sie reichte mir ein sauberes Papiertaschentuch, das sie aus ihrer Einkaufstasche hervorgekramt hatte. Prustend trocknete ich meine Tränen und putzte mir die Nase.
Hatte der Albtraum denn nie ein Ende? Diese Frage beschäftigte mich unaufhörlich. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, was mich in Bezug auf Mahmud und meine »türkische« Vergangenheit noch alles erwarten würde, wäre mein Gefühlsausbruch mit Sicherheit noch um einiges heftiger gewesen.
So aber beruhigte ich mich langsam und ließ mir von meiner hilfsbereiten Nachbarin erzählen, was sich draußen noch zugetragen hatte. Sie war gerade dabei, mir lebhaft zu schildern, wie Mahmud die Flucht ergriffen hatte, nachdem sie ordentlich von ihrem Stock Gebrauch gemacht hatte, als es an meiner Wohnungstür klingelte. Vorsichtig warf ich erst einen Blick aus meinem Küchenfenster, anstatt wie sonst arglos die Tür zu öffnen. Es war aber lediglich mein Bruder, der völlig atemlos angerannt kam. So schnell er konnte, war er mit seinem LKW zu mir gefahren.
Hastig schilderte ich ihm, was vorgefallen war. Als ich ihm von dem beherzten Einsatz meiner Nachbarin erzählte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Trotzdem wussten wir beide, wie ernst die Situation war. Nun kannte Mahmud meine Adresse und ich war damit nicht mehr sicher.
Mein Bruder riet mir, die Polizei einzuschalten und umgehend Jochen zu informieren. Beides wollte ich aber nicht. Die Polizei konnte mir sowieso nicht helfen und Jochen wollte ich nicht beunruhigen. Er hätte gegen Mahmud nichts ausrichten können und würde sich nur Sorgen machen. Nein, hier musste ich ganz alleine durch, das war meine Überzeugung. Es konnte und durfte nicht sein, dass Mahmud einen Platz in meinem neuen Leben erhielt.
3. Kapitel
Verraten und verkauft
N ur zwei Tage nach meiner Begegnung mit Mahmud waren Jochen und ich mit Sack und Pack in die halbfertige Dachgeschosswohnung zu seinen Eltern gezogen.
Jochen war zwar überrascht, dass ich es auf einmal so eilig hatte, aber ich begründete dies damit, dass wir uns dann die Fahrten zu meiner Wohnung sparen würden und so die Renovierung schneller voranginge.
Jochens Mutter war über unseren raschen Einzug sehr erfreut und umsorgte uns liebevoll. Den wahren Grund für den überstürzten Umzug behielt ich auch weiterhin für mich.
Dennoch spürte ich, wie mich meine Ängste aufzufressen drohten. In der Wohnung fühlte ich mich sicher, aber sobald ich sie verlassen musste, befand ich mich in höchster Anspannung. Meine größte Angst bestand darin, dass mich Mahmud auch hier aufspüren könnte. Ein weiteres Mal konnte ich nicht so einfach umziehen, da wir bereits sehr viel Geld in die Wohnung investiert hatten. Außerdem hätte ich dann auch Farbe bekennen und mit der Wahrheit herausrücken müssen, und das wollte ich um keinen Preis.
Natürlich blieb Jochen nicht verborgen, dass mich etwas bedrückte. Ich begründete mein Verhalten mit dem Renovierungsstress und den Hochzeitsvorbereitungen. Gott sei Dank gab er sich damit zufrieden.
Ein paar Wochen später heirateten wir im Kreis unserer Familien und ich hoffte inständig, dass ich nun endgültig mit meiner Vergangenheit abschließen könnte. Seit seinem überraschenden Auftauchen vor meiner alten Wohnung hatte ich nichts mehr von Mahmud gehört, was meiner Hoffnung Nahrung gab, dass er meinen neuen Aufenthaltsort nicht herausfinden würde. Auch der Umstand, dass ich nach der Hochzeit den Namen meines Mannes angenommen hatte, sollte dazu beitragen.
Es gab allerdings eine Gefahrenquelle, die ich nicht einkalkuliert hatte, und die hieß: »alte Bekannte«.
Etwa vier Monate nach meiner Hochzeit hatte ich die spontane Idee, Julia (eine frühere Bekannte) zu besuchen. Sie hatte ich während meiner Ausbildung, aber noch vor meiner Beziehung zu Mahmud kennengelernt. Sie wohnte etwa zwanzig
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