Befreiung vom Schleier - wie ich mich von meinem türkischen Freund und aus der islamischen Parallelwelt lösen konnte
Kilometer von der Wohnung, in der ich mit Mahmud gelebt hatte, entfernt, und es schien mir unproblematisch, sie in ihrem Zuhause zu besuchen. Mahmud hatte mir damals den Kontakt zu ihr verboten, aber wir hatten trotzdem gelegentlich telefoniert und auch nach meiner Flucht den Kontakt aufrechterhalten. Sie war eine der wenigen, die meine Telefonnummer kannte, und bei unserem letzten Telefonat hatten wir uns verabredet.
Julia war lustig und unkompliziert und nahm das Leben, wie es kam. Sie war für mich in gewisser Weise eine Lebenskünstlerin, die sich selbst nicht allzu ernst nahm.
Ich freute mich darauf, sie wiederzusehen und ihr all das Wunderbare zu erzählen, das sich in meinem Leben in den letzten Monaten ereignet hatte.
Um auch ganz sicher zu sein, dass ich Mahmud nicht zufällig mit dem Auto in der Stadt begegnete, nahm ich einen großen Umweg von fast 20 Minuten Fahrzeit in Kauf.
Julia hatte ich gebeten, auf keinen Fall irgendjemandem von meinem Besuch zu erzählen. Sie versprach mir das hoch und heilig.
Auf dem Weg zu ihr besorgte ich noch einen schönen Blumenstrauß. Selbstverständlich parkte ich mein Auto nicht vor ihrer Haustür, sondern einige Straßen weiter auf einem öffentlichen Parkplatz. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich ja nicht ahnen, dass Mahmud von meinem Besuch längst in Kenntnis gesetzt war und bereits mein Ankommen aus sicherer Entfernung beobachtete. So lief ich also völlig arglos auf das kleine Häuschen zu, das meine frühere Bekannte bewohnte.
Julia nahm mich überschwänglich in ihre Arme und schien sich aufrichtig über meinen Besuch zu freuen. Wir machten es uns in ihrem Wohnzimmer gemütlich. »Du siehst klasse aus«, betonte sie nun bestimmt schon zum fünften Mal. »Ich habe gar nicht gewusst, dass du so hübsch bist!« Ihr Kompliment klang ehrlich für mich.
»Das liegt bestimmt daran, dass du mich ja nur noch mit Kopftuch, ohne Schminke und in sackartiger Kleidung kanntest«, gab ich lachend zurück. »Manchmal habe ich mich wie meine eigene Großmutter gefühlt, aber es gab nur einen Versuch, mich durch Make-up etwas hübscher zu machen, und der endete damit, dass Mahmud mich ohrfeigte und mich samt meiner Klamotten unter die Dusche stellte und mit eiskaltem Wasser abbrauste. Dieses Erlebnis war so nachhaltig, dass ich auf einen zweiten Versuch dieser Art verzichtete und meine Make-up-Sachen nicht mehr angeschaut habe.«
Nach meinem Geständnis herrschte betretendes Schweigen und für einen Moment hatte ich das Gefühl, so etwas wie ein schlechtes Gewissen in Julias Augen zu erkennen. Ich konnte mir das nicht erklären, und bevor ich weiter darüber grübelte, umspielte auch schon wieder ein Lächeln ihre Lippen, und sie bot mir fröhlich Kaffee an. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht ganz los, dass es irgendetwas gab, das sie schrecklich nervös machte. Ständig huschte ihr Blick zur Tür und bei dem kleinsten Geräusch zuckte Julia schreckhaft zusammen. Ich wollte sie gerade auf meine Beobachtungen ansprechen, als plötzlich wie von Geisterhand die Wohnzimmertür geöffnet wurde und Mahmud im Türrahmen erschien. Vor Schreck ließ ich meine Tasse fallen, die hart auf den Bodenfliesen aufschlug und in tausend kleine Stücke zerbrach. Mit einem Satz war ich von meinem Platz aufgesprungen und starrte mit weit aufgerissenen Augen ungläubig auf Mahmud, als wäre er eine Fata Morgana. Das konnte doch nicht wahr sein?! Mahmud konnte doch gar nicht wissen, dass ich heute hier war. Was hatte er jetzt vor? Warum war er hier? Würden nun meine schlimmsten Befürchtungen wahr? Würde Mahmud mich entführen oder gar töten?
Die schrecklichsten Gedanken schossen mir durch den Kopf, während er langsam mit einem fast dämonischen Grinsen auf mich zukam.
»Na, damit hast du wohl nicht gerechnet, Madame?«, begrüßte er mich in spöttischem Ton. »Jetzt weißt du nicht, was du machen sollst, vor lauter Angst. Hab ich recht?« Er schaute auf meine zitternden Knie.
»Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?« Ich hatte große Angst, aber diese Frage musste ich einfach stellen. Ich versuchte so selbstbewusst wie möglich zu klingen, hörte aber selbst, dass mir dies gründlich misslang.
Mahmuds Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Katja, das ist alles eine Frage des Geldes«, ließ er mich süffisant wissen.
Ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, und mein Blick wanderte ungläubig zu Julia, die das Schauspiel bisher regungslos von ihrem Sofa aus verfolgt hatte. Als
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