Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
zeitlicher Grenzen oft von ökonomischen Betrachtungen ferngehalten. Sie werden öffentlichen Zuständigkeiten, also einer separaten, fein säuberlich vom eigentlichen Wirtschaften getrennten Rubrik zugeschoben. Die verschleierten Produktionsfaktoren (degradierter und verschlissener Raum zwischen den Knotenpunkten eines angeblich effizienten Wertschöpfungsnetzes) lassen sich so als öffentliche Infrastrukturinvestitionen verniedlichen oder hinter dem Vorhang einer als »Wirtschaftsförderung« getarnten Subventionitis verstecken.
Effizienzmythos II:
Innovationen und Produktivitätsfortschritt
Technische Innovationen, insbesondere solche, die zur Produktivitätssteigerung beitragen, werden ebenfalls als Quelle für wachsenden Wohlstand gesehen. Die Idee ist plausibel: Wenn technischer Fortschritt zu sinkenden Stückkosten oder produktiveren Faktorkombinationen führt, können die Preise sinken. Folglich steigt die Kaufkraft des Einkommens. Allerdings erfordert die Ausschöpfung der technischen Effizienz andere und zumeist größere Betriebsstätten. Insoweit damit eine Kapazitätsausdehnung einhergeht, kann diese im Aufbau neuer Standorte oder Erweiterungsinvestitionen an bereits existierenden Standorten bestehen. Das heißt jedoch abermals, dass nicht dieselbe Ressourcenausstattung einfach nur effizienter eingesetzt wird, sondern andere und zusätzliche Ressourcen nötig sind, nämlich mindestens um die vergrößerte Kapazität (nebst möglicherweise zusätzlich erforderliche Infrastrukturen) aufzubauen und unter plausiblen Bedingungen auch höhere Inputmengen einzusetzen. Letzteres würde eintreten, wenn der Output über das Maß hinaus steigt, welches sich allein aus der höheren Faktorproduktivität ergibt, mit der dieselbe Inputmenge eingesetzt wird. Dies dürfte als Regelfall gelten, denn die Reduktion der Durchschnittskosten ermöglicht geringere Marktpreise, wodurch wiederum die Nachfrage steigt.
Zwar wäre es theoretisch denkbar, die bislang genutzten Produktionsstätten auf die neue Technologie umzurüsten oder, wenn dies nicht möglich ist, simultan mit der Entstehung neuer Anlagen die alten wenigstens zurückzubauen, sodass anstelle einer Kapazitätserweiterung lediglich exakt der vorherige Ressourceninput nunmehr an anderen Standorten effizienter eingesetzt wird. Aber ein solcher Prozess des koordinierten Umbaus oder Ersatzes widerspräche jeglicher Marktlogik. Schließlich sind es zumeist neue Konkurrenten, die in etablierte Märkte eindringen, um auf Basis günstigerer Faktorkombinationen oder Technologien in Konkurrenz zu alten Strukturen zu treten.
Dies entspricht aber einer reinen Addition von Produktionskapazitäten und damit einem gestiegenen Ressourcendurchfluss – zumindest dann, wenn die Betreiber bisheriger Produktionsanlagen gar nicht daran denken, einfach aufzugeben, sondern Wege finden, im Markt zu verbleiben. Dies kann durch eine Spezialisierung auf Leistungen erfolgen, die sich hinreichend von der neuen Konkurrenz unterscheiden. Zudem können die ins Hintertreffen geratenen Firmen versuchen, die Grenzen des bisherigen Marktes zu überwinden, um durch einen höheren Globalisierungsgrad neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen.
Wenn es tatsächlich gelänge, die alten Produktionskapazitäten stillzulegen und zu verschrotten, würde sich genau jener Strukturwandel ereignen, den Schumpeter als »schöpferische Zerstörung« bezeichnete. Aber was ist so »schöpferisch« daran, zuvor aufgebaute Strukturen und somit die in sie investierten Ressourcen zu zerstören, womit zwangsläufig kaum lösbare Entsorgungsprobleme oder Industriebrachen entstehen? Ganz gleich wie man es wendet, gesteigerte technische Effizienz ist systematisch nicht ohne Zuwächse an materiellen Verbräuchen zu haben, weil der nötige Übergang entweder alte Strukturen entwertet oder die neuen Anlagen, wenn sie die alten nicht ersetzen, als reine Addition zusätzliche Ressourcenflüsse verursachen.
Und dieses Dilemma ist nicht einmal das Hauptproblem. Ein Blick auf das Geheimnis der seit anderthalb Jahrhunderten vollzogenen Produktivitätssteigerung verrät Folgen des: Die Ergiebigkeit eines Produktionsfaktors lässt sich keineswegs aus dem Nichts heraus, also durch noch so genialen Erfindergeist steigern. Ganz gleich ob Dampfmaschine, Elektrifizierung oder Digitalisierung – es bleibt immer ein und derselbe Stoff, der unter der Hand dafür herhalten muss, dass ein anderer Faktor »produktiver« wird: Energie!
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