Begegnungen (Das Kleeblatt)
gewachsen.
Frei lich hätte eine Schwangerschaft für Susanne unter normalen Umständen kein Problem dargestellt. Und ihre Männer wussten, dass sie als Folge der Schiffskatastrophe eine Fehlgeburt erlitten und danach alle Hoffnungen auf ein Kind begraben hatte. Warum also freute sie sich nicht, wie man es in diesem Fall von ihr erwartete?
Unter normalen Umständen hätte sie sich ohne Frage über ihren Zustand gefreut. Leider lebte sie nicht unter normalen Umständen mit Adrian! Immer öfter sahen die Männer dunkle Ringe unter ihren Augen. Immer seltener war ihr ansteckendes Lachen zu hören. Und von ihren kessen Sprüchen und ihrer Schlagfertigkeit konnten die ehemaligen Schiffsoffiziere inzwischen nur träumen.
Während der Mittagspause hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie sich zumindest ein schwaches Lächeln abquälen konnte, als sie durch die Büros zu ihrem eigenen Arbeitsplatz in Fensternähe schlich. Heute Abend würde sie mit Adrian reden, schwor sie sich, und wenn sie ihn dazu mit einer Bratpfanne wach halten müsste!
Der erste mitfühlende Blick aus den grauen Augen des alten Aribert und sein geseufztes „Na, meine Lütte“ genügten, um die eilig gestopften Löcher in ihrem fadenscheinigen Nervenkostüm aufs Neue aufreißen zu lassen. Ungestüm bearbeitete sie die Tastatur des Fernschreibers mit ihren flinken Fingern. Die Art und Weise, wie sie dabei verbissen ihre Lippen aufeinander presste und sich eine tiefe Falte zwischen ihre Augenbrauen grub, ließ den heftigen Aufruhr erahnen, der in ihr tobte und sich eher früher als später ein Ventil suchen würde.
„Und? Was hat er gesagt?“
Sie zuckte heftig zusammen und wirbelte auf ihrem Drehstuhl herum.
„Verflucht noch mal , musst du dich immer anschleichen wie ein Schreckgespenst? Gewöhne dir das schleunigst ab, Mann!“
Völlig von ihren trüben Gedanken vereinnahmt, hatte sie nicht bemerkt, dass Schubi neben ihr aufgetaucht war und sie mit besorgtem Blick seit einer geraumen Weile von der Seite musterte. Als er nicht reagierte, blaffte sie: „Wer soll was gesagt haben, hä?“
Sich erst mal dumm stellen, sollte ihr zumindest etwas Zeit verschaffen, um sich eine Antwort zu überlegen. Irritiert schaute sie von Schubi zu dem Fernschreiber und suchte eifrig die Stelle, an der sie in ihrer Arbeit unterbrochen worden war.
„Wer? Wer schon? Adrian natürlich, wer sonst? Oder wer ist der glückliche Werdende? Was hält er davon, dass es trotz aller Unkenrufe geklappt hat? Es muss ihn doch mindestens genauso überrascht haben wie uns. Freut er sich auf sein Kind?“
Sie strich den Stapel Blätter auf dem Schreibtisch mit akribischer Genauigkeit glatt und widmete ihre ganze Aufmerksamkeit einem unsichtbaren Staubkörnchen, das sie von dem Papier wischte.
Sie schluckte betreten und murmelte: „Was soll er schon sagen? Keine Ahnung.“
„Du …“
„Er … weiß … es … noch … nicht“, blaffte sie und betonte dabei jedes einzelne Wort, als würde sie mit einem Idioten reden.
„Du hast es ihm nicht gesagt? Aber wieso?“
Sie stöhnte enerviert und warf Schubi einen finsteren Blick zu. Der tat natürlich so, als bemerkte er ihren stummen Tadel nicht, und starrte seinerseits mit gespieltem Interesse den vertrockneten Blumenstock neben dem Fernschreiber an.
„Nein! Ich habe es ihm bisher nicht gesagt“, schleuderte sie ihm entgegen, „und folglich kann er es auch nicht wissen. Wie stellst du dir das vor? Ich kann ihn nicht einfach so überrumpeln, indem ich ihm auf den Kopf zu sage, dass ich schwanger bin. Ich brauche noch etwas Zeit, um mir die richtigen Worte zurechtzulegen.“
Sacht legte der Funkoffizier mit den roten Haaren und dem sommersprossigen Gesicht seine Pranken auf ihre schmale n Schultern und hielt sie fest. „Suse, wie um alles in der Welt hast du es fertiggebracht, alleine schwanger zu werden? Und wer hat sich für dich die richtigen Worte zurechtgelegt und einen günstigen Zeitpunkt abgepasst, um dir ein Kind zu präsentieren? Wer nimmt Rücksicht auf dich?“
„Das ist etwas völlig anderes.“
S chubi beugte sich zu ihr hinab und hob sanft mit dem Zeigefinger ihr Kinn an, nur um ihn fast abgebissen zu bekommen.
„Fass mich an, Alter, und du unterschreibst dein Todesurteil“, warnte sie ihn mit einem gefährlichen Knurren.
Schubi wäre allerdings nicht Schubi gewesen, wenn er sich von ihrem Keifen in irgendeiner Weise hätte beeindrucken lassen.
„Als ihr abgestiegen seid und euch eine
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