Begegnungen (Das Kleeblatt)
doch“, gab sie schnippisch zurück und lachte bitter. „Er ist ja so furchtbar wichtig und unersetzlich für seinen Betrieb. Mein selbstloser Held meldet sich meist freiwillig, um in jedem Fall auf seine Sechzig-Stunden-Woche zu kommen. Und um einen Grund zu haben, mir aus dem Weg zu gehen“, fügte sie leise an.
„D u solltest ihn trotzdem dazu bringen, sich an diesem Wochenende frei zu nehmen. Sag ihm, du brauchst Tapetenwechsel, weil dir die Leute bei der Arbeit auf den Keks gehen. Weil dich Schubi nervt. Oder in den Wahnsinn treibt. Dich mobbt. Belästigt.“ Der lange Funker zwinkerte ihr zu. „Vergiss nicht, für dich werde ich gern zum Märtyrer. Er soll mit dir verreisen. Irgendwohin. Einfach bloß so. Such dir ein ruhiges Hotel an einem noch ruhigeren, möglichst stinklangweiligen Ort.“ Er stupste seinen Zeigefinger freundschaftlich auf Suses Nase. „Davon kenne ich einige. Und dann redet miteinander. Er kann dir nicht ewig aus dem Weg gehen, ohne dich eines Tages zu verlieren, und er ist intelligent genug, das zu wissen.“
Urlaub. Eine tolle Idee. Leider bezweifelte Suse, es könnte wirklich derart simpel sein, Adrian zu einem Urlaub zu überreden. Sie hatte sich nach ihrem Abstieg von der „Heinrich“ beinahe den Mund fusselig gequatscht, um ihn zu einer Reise nach Irland zu bewegen. Er war dort geboren, er liebte dieses Land und wenn sie ihn richtig verstanden hatte, war er jahrelang nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Allerdings hätte sie genauso gut einen Fels bitten können, sich für sie in eine Schneeflocke zu verwandeln. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen: Er machte keine Anstalten, ihr diesen Gefallen zu tun, ohne Gründe dafür zu nennen.
Sie blickte in Schubis sommersprossiges Gesicht, das s ogar dann noch zu lächeln schien, wenn er wütend war, was selten genug vorkam. Mit einem leisen Seufzer wandte sie sich wieder dem Fernschreiber zu und murmelte halbherzig: „Ja, du hast Recht, Großer. Ich werde mein Glück versuchen. Urlaub. Das wäre zu schön.“
Sie lachte heiser auf und schlug nach dem kräftigen Arm des Mannes, der noch immer auf ihrer Schulter lag. „U nd nun lass mich endlich weiterarbeiten, du verflucht langes Elend! Schon vergessen, wie das ist, wenn die Jungs da draußen auf ihre Presse warten? Gestern waren Champions-League-Spiele. Sie werden mich kielholen, wenn sie die Ergebnisse nicht sofort zu lesen kriegen.“
Es verwunderte den einstigen Funkoffizier nicht, als Suse kurz darauf über das ganze Gesicht strahlend vor ihm stand , ihn stürmisch umarmte und einen Kuss auf seine kratzende Wange drückte.
„Das sieht mir nach sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aus“, bemerkte Aribert trocken und ihm war anzumerken, wie sehr auch er sich über Suses Lachen freute.
„Danke, Schubi. Ich wüsste manchmal nicht, was ich ohne dich tun sollte.“
„Ich schon.“ Kaum zu glauben, dass es aus physiologischer Sicht überhaupt möglich war, aber sein Lächeln wurde noch breiter. Inzwischen bestand die reale Gefahr, dass es das gesamte Büro vereinnahmen könnte. Und falls es noch breiter würde, müsste er sich eine Baugenehmigung bei der Stadt holen. „Du würdest unter Garantie denselben Unsinn machen wie ohne mich.“
Keine Stunde später hatte sich Susanne ein idyllisch gelegenes Hotel aus einem wie zufällig an ihrem Arbeitsplatz aufgetauchten Katalog ausgesucht. Und wie zufällig war tatsächlich ein Doppelzimmer, ausgestattet mit allem Komfort, frei.
Dass Schubis älterer Bruder der Besitzer dieses Hotels war und nur deshalb ein Zimmer zu bekommen war, musste Suse nun wirklich nicht erfahren.
3. Kapitel
„Sie erwarten wohl Besuch, meine Liebe?“
Jäh verschwand d as zufriedene Lächeln auf Susannes Gesicht, als sie die schrille Stimme vor sich vernahm. Sie brummelte irgendetwas zwischen den Tüten und Kartons hervor, die sie sich bis unters Kinn gestapelt hatte, um an ihren Wohnungsschlüssel zu gelangen.
Tatsächlich war der Einkauf umfangreicher ausgefallen, als sie ursprünglich geplant hatte. Aber ihre gedrückte Stimmung hatte sich nach dem Gespräch mit dem großen Schubi erheblich gebessert, sodass sie den Bummel über den Wochenmarkt und durch die Einkaufsstraße der Stadt das erste Mal seit langem wieder richtig genossen hatte.
„Dieser Mann könnte Ihnen wohl nicht mal beim Tragen helfen?“
„Das würde mein Mann ganz gewiss tun“, säuselte sie und imitierte geradezu perfekt den gezierten Tonfall der Alten,
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