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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Hmong-Frau, die in der Nähe von Kao Bang lebt und sagenhaft gut kocht.«
    Der Anflug eines Lächelns umspielte Juliens Lippen. Cyrille beobachtete ihn aus halb geschlossenen Augen. Sie sah einen entspannten Mann, der den Abzug ins Fixierbad tauchte.
    An einer Schnur über ihren Köpfen hingen rund dreißig Fotos aus Nordvietnam zum Trocknen. Ein Büffel mit schier unglaublichen Hörnern am Fuße eines felsigen Berges. Ein kleines Mädchen, das ein Reisigbündel auf dem Kopf balancierte.
    »Es scheint dir gut zu gehen«, meinte Cyrille.
    »Ja, stimmt.«
    »Keine Beschwerden mehr?«
    »Nein, nichts.«
    »Und die Albträume?«
    »Vorbei.«
    Cyrille schloss kurz die Augen. Die Violine stimmte das melancholische Mumuki -Thema an. Sie dachte, dass sie beide hier wie in einem Beichtstuhl waren und die intime Atmosphäre ihr helfen würde, die richtigen Worte für das zu finden, was sie zu sagen hatte. Sie wagte nicht, näherzutreten. Sie spürte, dass auch Julien Distanz hielt, und das verunsicherte sie.
    »Danke, dass du mir das Leben gerettet hast«, murmelte sie.
    Julien warf ihr einen kurzen Blick zu, während er ein Blatt Fotopapier in den Rahmen des Vergrößerungsapparats legte.
    »Denk nicht mehr daran. Es ist vorbei.«
    »Ohne dich … nun, du weißt, was …«
    Er lächelte sie an.
    »Das war die einzige Möglichkeit. Ich hätte dich doch nicht dort zurücklassen können. Und du? Wie geht es dir?«
    »Das Atmen tut noch weh. Aber es wird schon werden.«
    »Und … dein Mann?«
    »Ich habe gestern den Sarg in Empfang genommen.«
    »Ich mochte ihn nicht, aber es tut mir trotzdem leid.«
    Julien drehte solange an der Schraube des Vergrößerungsapparates, bis auf dem Fotopapier genau der Ausschnitt zu sehen war, von dem er einen Abzug machen wollte. Ein Kind vor einem Propagandaplakat. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Weißt du, Cyrille, ich … ich habe ihn nicht getötet.«
    »Ich weiß, Julien.«
    »Ich könnte niemanden umbringen.«
    Cyrille spürte, wie ihr ein eisiger Schauder über den Rücken lief. Sie vergrub die Hände in den Taschen und schnipste mit den Nägeln. Der Wunsch, sich an ihn zu schmiegen, seine Haut zu spüren, wurde übermächtig. Dennoch verharrte sie in ihrer distanzierten Haltung.
    »Weißt du … ich habe dir nicht alles über meine Erinnerungen gesagt.«
    Julien projizierte ein anderes Negativ auf das Fotopapier, eine Großaufnahme von einem Mädchen mit dunklen Augen.
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ich kann mich inzwischen an unsere Therapiesitzungen erinnern und …«
    »Und?«
    Cyrille rang nach Luft, ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Und ich habe mich an etwas … nun, mir ist eingefallen, was du mir gegen Ende erzählt hast, in Bezug auf den Mörder deiner Mutter. Erinnerst du dich?«
    Juliens Gesicht verfinsterte sich.
    »Ja.«
    Cyrille spürte, wie der Boden unter ihren Füßen nachgab. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet.
    »Du erinnerst dich daran, was du getan hast?«
    »Ja«, erwiderte Julien ruhig.
    Cyrille schwieg. Und auf einmal war sie wieder da, diese Angst, die ihr den Magen zuschnürte. Sie wich einen Schritt zurück. Ihre Stimme brach.
    »Du erinnerst dich daran, dass du ein … Verbrechen geplant hast?«
    Julien drehte sich abrupt zu ihr um. Der Schein der roten Lampe erhellte die eine Hälfte seines Gesichts. Sein Lächeln war verschwunden.
    »Ja, auch mir ist es wieder eingefallen, und ich bin nicht stolz darauf.« Julien trat einen Schritt auf sie zu. »Doch ich habe gelernt, dass man auch sich selbst vergeben muss, nicht wahr?«
    Cyrille schwieg, unfähig, etwas zu erwidern. Dann rief sie: »Wie kannst du nur so kalt sein … Julien, es ist ein Verbrechen!«
    »Ich habe dir gesagt, dass ich mir über meinen Fehler im Klaren bin. Aber alles in allem hatte er Glück gehabt, und ich auch.«
    Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Wie, er hatte Glück?«, flüsterte sie schließlich.
    »Er war zwar in der offenen Abteilung, die Besuchern zugänglich war, aber dann hat er eine Krankenschwester angegriffen und kam in Sicherheitsverwahrung. Letzten Endes habe ich ihn, anders als geplant, nie gesehen. Damals war ich außer mir vor Wut, doch heute weiß ich, dass mir das das Leben gerettet hat.«
    Sein Blick ruhte auf Cyrille, die ihn wortlos anstarrte.
    »War es das, was du mir sagen wolltest?«, fragte sie. »Er … er ist nicht tot?«
    »Nein! Glücklicherweise. Es stimmt, ich hatte alles bis ins kleinste Detail

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