Begraben
hast keine Wahl.«
53
Mit seinen Fingerstummeln umklammerte Erawan das Maschinengewehr. Er war am Eingang von Supachais Haus postiert und Zeuge des Angriffs auf den MRT-Raum. Er atmete schnell. Warum waren die Franzosen nicht geflohen, obwohl er es der Ärztin so dringend geraten hatte? Warum war sie auf der Insel geblieben, obwohl er sie befreit und ihr den Ankerplatz des Bootes genannt hatte, das am leichtesten für die Flucht erreichbar war?
Er grübelte. Er hatte keine Lust, sich weiter selbst zu gefährden, denn er wäre beinahe bereits wegen der Geschichte mit dem Handy aufgeflogen. Zugleich wusste er aber auch, dass er der Einzige war, der etwas für die Kleinen tun konnte. Seit drei Jahren, seit man ihn zur Bewachung der Kinder auf die Insel geschickt und er begriffen hatte, was Supachai ihnen antat und dass sie anschließend wie Tiere verkauft wurden, hatte er alles versucht, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Erawan, der auf der Straße aufgewachsen war, hatte nichts anderes gesehen als die Mädchen in den Bars und den Massagesalons von Ko Samui und kannte niemanden außer den Burschen von der Liga. Doch als er entdeckt hatte, in welchem Zustand die Kinder das Forschungslabor verließen, dass sie nicht mehr sprechen und dass einige auch nicht mehr gehen konnten, hatte er kaum noch schlafen können. Aber es war ihm gelungen, drei Kindern zur Flucht zu verhelfen, indem er behauptet hatte, sie seien ertrunken. Ein kleiner Sieg. Das dritte Kind war jedoch wieder eingefangen worden. Endlich hatten zwei Ausländer seine Hinweise entdeckt und waren ihnen gefolgt. Diese Chance würde sich kein zweites Mal bieten.
Erawan suchte nach einer Möglichkeit, rasch und effizient zuzuschlagen … Er drang in das Labor von Supachai ein und sah sich um. Dann wandte er sich nach rechts und orientierte sich an dem starken Geruch, der aus dem Raum mit den Tieren drang. Vorsichtig öffnete er eine Tür und stand in einem dunklen Raum. Sein Herz schlug schneller, er lächelte in die Dunkelheit.
*
Rama Supachai nahm eine Spritze.
»Nicht bewegen. Ich betäube zunächst die Haut.«
Er spritzte das Mittel in Cyrilles Stirn. Anschließend griff er nach dem Kraniotom, doch trotz des schrillen Kreischens des Bohrers vernahm er ein anderes alarmierendes Geräusch.
Der Forscher hob den Kopf.
Völlig außer Rand und Band tauchten Dutzende verschreckter Tiere in der Schleuse des IRM auf. Über hundert Ratten kamen in den Raum gerannt, gejagt von vier Katzen, die wiederum von fünf hysterischen Rhesusaffen verfolgt wurden. Die Affen trugen Elektroden auf ihren kahl rasierten Schädeln. Den Abschluss bildete ein ausgewachsener Schimpanse mit gebleckten Zähnen, dessen linke Hälfte seines Schädels enthäutet war. Innerhalb von zwei Sekunden herrschte das totale Chaos. Rama war aufgesprungen.
»Nicht töten! Man muss sie wieder einfangen!«, schrie Rama verzweifelt den Wachen zu. »Bringt sie alle zurück in den Tierraum.«
Julien stürzte zu Cyrille, die sich mühsam aufrichtete.
»Was ist passiert?«
»Ein guter Geist hat ein Ablenkungsmanöver inszeniert, wir müssen schnellstens verschwinden.«
»Weg da!«, bellte Benoît.
Julien fuhr herum und sah in den Lauf einer automatischen Waffe. Als ehemaliger Ringkämpfer stand Professor Blake fest auf beiden Beinen, in der rechten Hand das Maschinengewehr.
Cyrille fuhr sich mit der Hand durch das mit rotem Gel verklebte Haar.
Julien sah in Benoîts vor Wut lodernde Augen. Diesen Moment nutzte er, um ihn anzuspringen, nach dem Lauf der Waffe zu greifen und ihn nach rechts zu stoßen. Benoît schoss. Die Kugeln trafen den Computertomografen, prallten von der gepanzerten Wand ab, zerstörten den Monitor des Computers. An der Decke begann eine orangefarbene Warnlampe zu blinken. Rama Supachai stieß einen heiseren Schrei aus, seine Beine gaben nach. Er kauerte am Boden, den Kopf zwischen den Knien, die rechte Seite von einem Querschläger zerfetzt. Cyrille brach lautlos auf dem Untersuchungstisch zusammen.
Die Waffe in der Hand, bewegte sich Benoît langsam auf Julien zu. Verzweifelt nahm der junge Mann alle Kraft zusammen und stürzte sich auf ihn. Er griff nach Benoîts Beinen, und beide rollten über den Boden und kämpften eine Weile miteinander, doch Benoît war stärker und schwerer. Er verpasste Julien einen Schlag in den Rücken, hockte sich rittlings auf ihn und nahm ihm jede Hoffnung, entkommen zu können. Blake umfasste den Lauf seiner Waffe und versetzte Julien mit
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