Bei Anruf - Angst
Mann trug einen grauen
Kaschmir-Pullover, der prall ausgefüllt wurde von Speck und Wanst.
„Was ist? Was wollt ihr?“
Tim ging näher, wobei er sein
Bike schob. „Eigentlich habe ich ja zuerst gefragt. Ist das hier bei Dr.
Specht?“
„Ich bin Dr. Specht. Was wollt
ihr?“
Tim sah das Mädchen an und
hörte, wie Gaby, Karl und Klößchen näher rückten.
Hm!?, dachte er. Ist das
wirklich die Tochter? Null Ähnlichkeit. Ist das etwa Olivia? Dann hätten wir ja
‘ne Glückssträhne, von der man nur träumen kann.
Er entschloss sich, dreist zu
bluffen. Das war schon oft erfolgreich gewesen.
„Wir suchen jemanden“, sagte
der TKKG-Häuptling. „Zwei Personen, um genau zu sein. Und uns wurde gesagt,
dass sie hier sind. Eine männliche Person mit Kettenhundgesicht, stahlgefasster
Brille und Zopffrisur. Dieser Typ heißt Kuno Ivoritzki. Und ein 14jähriges
Mädchen mit Namen Olivia Lerchenalt.“
Specht starrte ihn an. Trotz
der Kühle glänzte auf seiner Oberlippe Schweiß.
„Nie... nie gehört. Kenne ich
nicht. Die sind nicht hier.“ Hinter Tim sagte Gaby: „Ich glaube, du bist
Olivia. Wenn du’s bist, haben wir gestern Abend miteinander gesprochen. Ich bin
Gaby Glockner — das Mädchen vom Sorgofon.“
Über Olivias Gesicht — klar
doch!, dachte Tim. Sie muss es sein! — breitete sich ein Leuchten, als werde es
mit Spotlights angestrahlt, als entzündeten sich Fackeln der Freude in den
braunen Augen. Sie wollte antworten und es konnte nur die Bestätigung sein.
Aber in dieser Sekunde wurde hinter dem Haus eine Tür zugeschmettert und
Ivoritzki brüllte vor Wut.
„Sie ist weg. Ist getürmt.
Boss, sie ist abgehauen und...“
Er kam um die Ecke gerast,
stieß fast gegen Olivia und prallte zurück. Fassungsloses Glotzen. Der Kiefer
hing herab.
„Hallo, Ivoritzki!“, sagte Tim.
„So schnell sieht man sich wieder, du Schweinehund. Ich empfehle jetzt
dringend: keinen Fluchtversuch! Beweg dich langsam und greif nicht in die
Tasche — du könntest ja eine Waffe haben. Aber ich bin Kampfsportler — und
verdammt schnell. Wie aufschlussreich, Dr. Specht, dass er Sie Boss nennt. Es
passt alles ins Bild. Und die andern hat’s ja schon schlimm erwischt: Havliczek,
Dietmar Lerchenalt, Adolf Tagner, Beate Welkhalm — und nun euch. Karl! Hast du
dein Handy? Herr Glockner wird schon schlafen. Aber jetzt müssen wir ihn leider
wecken.
*
Die beiden Verbrecher leisteten
keinen Widerstand. Tim konnte auf den Einsatz seiner Karate-Fäuste verzichten.
Olivia weinte anfangs vor
Erleichterung und dann vor Kummer, als sie erfuhr, wie es um ihren Bruder
stand. Aber Gaby tröstete und erwies sich als mitfühlende und geschulte
Helferin — nicht nur am Sorgofon, sondern auch im wirklichen Leben beim
unmittelbaren Kontakt.
Später, als der Fall
abgeschlossen war und die Verbrecher ihre hohen Strafen absaßen, kümmerten sich
Glockners engagiert um das Mädchen. Eine Pflegefamilie wurde gefunden, bei der
sich Olivia wohl fühlte. Von ihrem Bruder wollte sie nichts mehr wissen und andere
Verwandte gab es nicht. Ob sich die Geschwister vielleicht in späteren Jahren
wieder einander nähern würde, war noch nicht abzusehen.
An diesem ereignisreichen
Samstag kam die Polizei jedenfalls sehr rasch nach Hinterflecken. Auf dem Hof
wurde Traudel Bruhns Wagen entdeckt und nun endlich erinnerte, sich Ivoritzki
an sein Versprechen, ihre Eltern zu verständigen.
Kommissar Glockner besorgte
das. Und tatsächlich — die völlig verstörte junge Frau befand sich noch immer
in dem abgestellten Schleuserfahrzeug, aus dem sie nun befreit wurde.
Zu der Schleuser-Bande, deren
Kopf Dr. Specht war — gehörten noch etliche Kriminelle im östlichen Ausland.
Aber selbst im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit über die Grenzen würde
es sehr schwer werden, diese Typen aufzuspüren. Deshalb stand zu befürchten — was
Kommissar Glockner aussprach — , dass der Menschenschmuggel in Europa und
besonders nach Deutschland noch lange nicht zu Ende war.
E N D E
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