Bei null bist du tot
unterwegs waren, sagte Jane: »Ich wollte dir kein schlechtes Gewissen machen. Wahrscheinlich bin ich einfach ein bisschen nervös. Wir rücken ihm immer näher. Bist du sicher, dass du weißt, wo wir Reilly finden?«
»Ganz sicher.« Jock hob seinen Kaffeebecher an die Lippen. »Wir fahren zu dem Haus, wo er mich ausgebildet und konditioniert hat. Er ist absolut davon überzeugt, dass ich meine Konditionierung niemals durchbrechen würde. Er hat das Haus garantiert nicht aufgegeben. Denn damit würde er sich eingestehen, versagt zu haben, und das verkraftet sein Ego nicht.«
»Und was ist, wenn du dich irrst?«
»Es gibt noch ein paar andere Orte, wo ich ihn suchen kann, von denen er nicht weiß, dass ich sie kenne.«
»Und wie hast du die herausbekommen?«
»Ich habe überhaupt nichts herausbekommen. Wer bei Reilly ist, findet nichts heraus. Kim Chan hat mir davon erzählt, während sie mich ausgebildet hat. Sie ist so etwas wie seine rechte Hand.«
»Für welche Art von Ausbildung war diese Frau denn zuständig?«
»Sex. Sex ist eine starke Antriebskraft. Für Reilly war Sex eine von vielen Methoden, vollkommene Kontrolle über uns zu gewinnen. Und Kim war sehr versiert darin, einem beim Sex Schmerzen zuzufügen. Sie hat es genossen.«
»Es wundert mich, dass Reilly einer Frau, die für ihn arbeitet, gestattet, aus dem Nähkästchen zu plaudern.«
»Davon durfte Reilly natürlich nichts erfahren. Womöglich kann sie sich nicht mal daran erinnern, dass sie mir das alles erzählt hat. Sie hat fest darauf vertraut, dass Reillys Konditionierung unumkehrbar ist, deswegen hielt sie es in meiner Gegenwart nicht für nötig, vorsichtig zu sein. Sie ist inzwischen schon seit über zehn Jahren bei ihm.«
»Haben die beiden ein persönliches Verhältnis zueinander?«
»Nur insofern, als sie sich gegenseitig benutzen. Er gesteht ihr eine gewisse Macht zu, dafür tut sie alles, was er von ihr verlangt.«
»Du scheinst dich sehr gut an sie zu erinnern«, sagte Jane trocken.
»Kim mochte es, wenn ich hellwach war und nicht unter Drogen stand, sobald sie an der Reihe war, mich zu bearbeiten.«
»Aber jetzt wirst du es ihr heimzahlen.«
»Ja.«
»Keine Begeisterung? Du hast mir doch gesagt, du hasst Reilly.«
»Ja, ich hasse ihn. Aber daran kann ich jetzt nicht denken.«
»Warum nicht?«
»Es würde mich behindern. Wenn ich an Reilly denke, ist in meinem Kopf kaum noch Platz für was anderes. Ich muss ihn finden und dafür sorgen, dass er dem Burgherrn nichts antun kann.« Er wechselte das Thema. »Laut Karte ist die nächste größere Stadt Salt Lake City. Wenn wir den Wagen am Flughafen abstellen, kann es Tage dauern, bis er gefunden wird. Wir mieten einen anderen Wagen und machen dasselbe in –«
»Du hast ja alles genau geplant«, bemerkte Jane mit sarkastischem Unterton. »Ich komme mir schon vor wie deine Chauffeurin.«
Jock sah sie verunsichert an. »Meinst du, wir sollten es anders machen?«
Sie entspannte ihr Gesicht. »Natürlich machen wir es, wie du sagst. Ich bin nur ein bisschen gereizt. Es ist eine gute Idee. In Salt Lake City wechseln wir das Fahrzeug. Eigentlich bin ich inzwischen ein bisschen optimistischer, was diese ganze Sache angeht, auch wenn es mir immer noch nicht gefällt, dass du mich erpresst hast. Selbst wenn das bei dir fast automatisch geht, hast du in diesen Dingen wesentlich mehr Erfahrung als ich. Es ist, als würden wir Reilly mit seinen eigenen Waffen bekämpfen.«
Jock lächelte. »Ganz genau. Wenn ich mir das vor Augen führe, geht es mir besser.« Er studierte die Landkarte. »Am besten, wir besorgen uns als Nächstes einen Jeep mit Allradantrieb. Im Wetterbericht haben sie eben für den Nordwesten einen Schneesturm angekündigt. In der Gegend, in die wir fahren, werden die Straßen ziemlich unwegsam bei derart schlechtem Wetter.«
Noch ein Tag
»Wie weit noch?« Jane spähte angestrengt durch die Windschutzscheibe. »Ich kann nicht mal mehr die weißen Streifen auf der Straße erkennen.« Der Schnee wirbelte vor ihnen herum wie ein tanzender Derwisch.
»Nicht mehr weit.« Jock warf einen Blick auf die Karte, die er auf dem Schoß ausgebreitet hatte. »Nur noch ein paar Kilometer.«
»Das ist eine ziemlich einsame Gegend hier. Auf den letzten dreißig Kilometern hab ich nicht mal eine Tankstelle gesehen.«
»So hat Reilly es am liebsten. Keine Nachbarn. Keine Fragen.«
»Dasselbe hat Trevor über MacDuff’s Run gesagt.« Sie warf Jock einen kurzen Blick zu.
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