Beichte eines Verfuehrers
Letztere immer verabscheut hatte, weil sie für ihn keine echten Gedichte waren.
Er schrieb darüber, wie sehr er mich liebte.
Er schrieb darüber, wie sehr er mich hasste.
Es war die größte Ehre, die er mir seit seinem Unfall zuteil werden ließ. Und er hatte sie vor mir versteckt! Wütend verschob ich alle Dokumente in den Papierkorb. Ich war kurz davor, sie endgültig zu löschen – aber dann tat ich es doch nicht, sondern brannte diese Dokumente, die mein Mann mir gewidmet hatte, auf eine CD. Ich beschriftete die CD und packte sie in den Karton, in dem ich die besonderen Erinnerungsstücke verwahrte – neben seinem Haar, das ich ihm geschnitten hatte.
Es waren Adams Gedanken und Träume. Er hatte uns in Worten gemalt. Seine Empfindungen und Bilder, und ob sie für mich nun wahr waren oder nicht – es war Adams Version. Seine Geschichten. Nicht meine.
Jetzt war der richtige Zeitpunkt, nicht länger die Frau zu sein, die Adam gebraucht hatte. Höchste Zeit, nicht länger die Ehefrau zu sein, die ich hätte sein sollen. Stattdessen sollte ich die Frau werden, die ich sein wollte.
EPILOG:
August
Ich bin Psychologin und liebe meine Arbeit. Ich mag es, joggen zu gehen oder zu lesen, ich mag Eis mit Erfrischungsstäbchen und Horrorfilme. Meine Lieblingsfarbe ist Rot. Ich liebe den Geruch von Lavendel. Das sind keine Dinge, die für mich neu sind, aber einige haben sich in den letzten Monaten vor mir verborgen.
Ich bin nicht länger überrascht, mein Gesicht im Spiegel zu sehen. Ich kenne die Form dieses Gesichts, die Farbe der Augen, den Schwung meines Haars. Mein Spiegelbild zeigt mir eine Frau, die ich erkenne, auch wenn ich noch viel über sie lernen muss.
Heute umarmt mich die Holzbank wie einen alten, lange vermissten Freund, als ich mich anlehne. Die Blumen entlang des Weges vor mir wiegen ihre gelben Köpfe sanft im Wind, der nach Sommer riecht.
Ich musste vieles über mich herausfinden, bevor ich entscheiden konnte, ob ich auf diese Bank gehöre. Es hat eine Zeit lang gedauert. Und noch immer bin ich unsicher, was das hier bedeutet, aber ich will es herausfinden.
Jetzt muss ich nichts anderes tun, als hier zu sitzen und zu warten. Es ist gar nicht schlimm zu warten. Ich kann Mütter beobachten, die ihre Kinderwagen vor sich herschieben, andere Leute führen ihre Hunde aus. Im Wipfel des Baums keckern kleine Eichhörnchen, die einander um den Stamm jagen.
Dann ist er da, vom Sonnenlicht übergossen. Es passt zu ihm wie ein Anzug aus Gold. Er setzt sich neben mich und die Bank erzittert leicht unter dem zusätzlichen Gewicht.
Es gibt vieles, das wir jetzt sagen können. Aber wir bleiben stumm. Die Zeit und die Umstände haben uns einander fremd werden lassen. Ich blicke ihn an, aber er schaut auf seine Hände, die im Schoß ruhen.:
Schließlich blickt er zu mir auf und kneift ein Auge zusammen, weil die Sonne ihn blendet. Er wendet sich mir zu und streckt seine Hand aus. Atemlos nehme ich sie.
„Hi!“ Seine Finger schließen sich um meine. „Ich heiße Joe Wilder.“
„Hallo Joe“, sage ich und füge hinzu: „Ich bin Sadie.“
„Schön, dich kennenzulernen, Sadie.“
Das Leben ist voller edler und zerbrechlicher Dinge. Es ist nicht immer schön und einfach, aber wenn man weiß, wo man steht, kann man nicht verloren gehen. Ich weiß, dass nach der Sonne der Mond kommt, an jedem Tag von Neuem. Die Zeit vergeht. Die Welt dreht sich, und wir drehen uns mit ihr, und auch wenn wir nie wieder zurück zum Anfang gehen können, gibt es manchmal eine zweite Chance.
„Ich finde es auch schön, dich kennenzulernen, Joe.“
Zwar bin ich mir in diesem Moment nicht sicher, wie die Geschichte enden wird, aber als ich neben Joe in der Sonne sitze, habe ich keine Zweifel darüber, wie es beginnt. Es gibt nur eine Wahrheit, an die ich glaube. Eine Sache, die ich weiß. Niemand wird das ändern können.
Diesen Monat ist mein Name Sadie.
– ENDE –
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