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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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auf ihrem Stuhl hin und her rutscht. »Kate möchte nicht sterben«, sagt er sanft, »aber sie will auch nicht so weiterleben. Und da ich das weiß und die Gesetze kenne, steht mir im Grunde nur eine Entscheidung zu. Der einzige Mensch, dem es erlaubt sein sollte, diese Wahl zu treffen, ist eben der Mensch, der im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht.«
    Ich atme tief aus.
    Â»Und damit meine ich nicht Kate, sondern Anna.«
    Sie schnappt neben mir nach Luft. »Eine der Fragen, die in den letzten Tagen aufkamen, war die, ob eine Dreizehnjährige fähig ist, derart schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Ich denke jedoch, daß in diesem Fall das Alter gar keine wesentliche Variable für ein grundsätzliches Verständnis ist. Tatsächlich scheinen einige der Erwachsenen hier die simpelste Regel der Kindheit vergessen zu haben: Man nimmt niemandem etwas weg, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Anna«, sagt er auffordernd, »würdest du bitte aufstehen?«
    Sie sieht mich an, und ich nicke und stehe mit ihr gemeinsam auf. »Ich entscheide hiermit«, sagt Richter DeSalvo, »daß du ab sofort in medizinischen Fragen aus der elterlichen Gewalt entlassen bist. Das bedeutet, du wirst weiter mit ihnen zusammenleben, und sie können dir nach wie vor sagen, wann du ins Bett mußt und welche Fernsehsendungen du dir anschauen darfst und ob du dein Gemüse aufessen mußt, aber in allen medizinischen Fragen hast du das letzte Wort.« Er wendet sich an Sara. »Mrs. Fitzgerald, Mr. Fitzgerald – ich ordne hiermit an, daß Sie gemeinsam mit Anna ihren Kinderarzt von dieser Entscheidung in Kenntnis setzen, damit der Arzt darüber im Bilde ist, daß Anna von nun an seine unmittelbare Ansprechpartnerin ist. Und nur damit sie nötigenfalls eine zusätzliche Orientierungsmöglichkeit hat, werde ich Mr. Alexander bitten, bis zu Annas achtzehntem Geburtstag die medizinische Handlungsvollmacht für sie zu übernehmen, damit er ihr bei schwierigen Fragen zur Seite stehen kann. Ich will keinesfalls ausschließen, daß diese Entscheidungen im Einvernehmen mit ihren Eltern getroffen werden können – aber ich befinde, daß die letzte Entscheidung allein bei Anna liegt.« Der Richter blickt mich eindringlich an. »Mr. Alexander, sind Sie bereit, diese Verantwortung zu übernehmen?«
    Außer für Judge mußte ich mich noch nie um irgend jemanden oder irgend etwas kümmern. Und jetzt werde ich Julia haben und noch dazu Anna. »Es wäre mir eine Ehre«, sage ich und lächele sie an.
    Â»Ich möchte, daß die entsprechenden Dokumente unterzeichnet werden, ehe Sie heute das Gericht verlassen«, befiehlt der Richter. »Viel Glück, Anna. Schau ruhig mal bei mir rein und erzähl mir, wie’s dir so geht.«
    Er schlägt mit seinem Hammer auf den Tisch, und wir erheben uns, als er den Saal verläßt. »Anna«, sage ich, doch sie bleibt ruhig und wie unter Schock neben mir stehen. »Du hast es geschafft.«
    Julia ist als erste bei uns und beugt sich über die Schranke, um Anne zu umarmen. »Du warst sehr tapfer.«
    Ãœber Annas Schulter hinweg lächelt sie mich an. »Und du auch.«
    Doch dann macht Anna einen Schritt zu Seite und steht plötzlich ihren Eltern gegenüber. Zwischen ihnen ist kein halber Meter, aber ein ganzes Universum aus Zeit und Trost. Erst jetzt wird mir klar, daß Anna mir schon irgendwie älter vorkommt, als sie in Wirklichkeit ist, nun jedoch steht sie unsicher da und schafft es nicht, ihnen in die Augen zu sehen. »He«, sagt Brian, überbrückt den Abstand zwischen ihnen und zieht seine Tochter in eine rauhe Umarmung. »Ist ja gut.« Und dann drängt sich Sara dazu, schlingt die Arme um die beiden, und ihre Schultern bilden eine breite Mauer, ein Team, das gerade dabei ist, das Spiel, das sie spielen, neu zu erfinden.
    ANNA
    Man kann kaum was sehen. Der Regen ist sogar noch heftiger geworden. So wie er auf das Blech eintrommelt, stelle ich mir kurz vor, daß er das Auto wie eine leere Coladose zusammendrückt, und sofort fällt mir das Atmen schwerer. Ich brauche einen Moment, bis ich merke, daß das nichts mit diesem beschissenen Wetter oder einer latenten Klaustrophobie zu tun hat, sondern mit der Tatsache, daß meine Kehle nur halb so weit ist wie sonst, weil die Tränen sie wie eine verkalkte Arterie verhärten, so

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