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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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das doch immer für ein Pimpf! Fast so ein Zwerg wie du!«
    Diese Aufmunterung im Ohr, pflegte ich in den nächsten Monaten die glühende Hoffnung, dass sich besagter Schuss in die Höhe alsbald einstellen werde. Für ein Mädchen, zu dessen erklärten Vorbildern damals Frauen wie Heidi Klum und Gisele Bündchen gehörten, war eine Körpergröße unter eins fünfundsiebzig der Albtraum schlechthin. In meiner Klasse wollten fünfzig Prozent meiner Mitschüler Models oder Schauspieler werden, was exakt dem Anteil von Mädchen entsprach. Die Jungs wollten Fußballstars oder Millionäre oder beides werden. Als Mädchen tendierte ich zum Modeln und pflegte meine Haut, meine Haare, meine Zähne (auf Letztere komme ich später noch zurück) und geriet völlig aus dem Häuschen, wenn sich auf meiner Nase ein Pickel zeigte. Ich trank hektoliterweise Mineralwasser, mied Eis und Schokolade, feilte und lackierte regelmäßig meine Nägel und enthaarte meine Beine und Achselhöhlen. Ich tat alles, was ich tun konnte, um modelmäßig schön zu sein.
    Mein Gesicht war von jeher ebenmäßig hübsch und schrie geradezu nach einem Exklusivvertrag mit einem berühmten Kosmetiklabel, wie ich mir damals einbildete. Mein Haar war lang, leicht naturkraus und dank zahlreicher Zitronenspülungen von einem ansprechenden Blond. Außerdem verfügte ich über eine biegsame, zierliche Figur, ohne dafür nennenswert fasten zu müssen. Mein Busen war zwar damals so gut wie nicht vorhanden, ein Umstand, der heftig an mir nagte, aber wenigstens waren Minibrüste bei Models die Norm. Kurzum: Alle Voraussetzungen waren durchaus günstig. Alle, bis auf die Größe.
    Schon mit sechzehn hatte ich nämlich feststellen müssen, dass ich mit meiner genetischen Disposition bestenfalls noch Millimeter, nicht aber Zentimeter, geschweige denn Dezimeter würde herausschinden können. Mit achtzehn hatte ich meine endgültige Größe von einem Meter und vierundfünfzig erreicht. Trotz häufiger Stretchingübungen wurde nicht mehr daraus, und irgendwann fing ich an, um den vom häufigen Gebrauch schon ganz ausgeleierten Zollstock einen großen Bogen zu machen und mich mit meiner Kleinwüchsigkeit abzufinden.
    Rainer fand, dass ich zu ihm passte wie der Topf zum Deckel, auch größenmäßig. Er selbst maß nur knapp eins sechzig, weshalb er auch streng darauf achtete, dass seine Sprechstundenhilfen keine hohen Absätze trugen. Seine geringe Körpergröße tat indessen seinem Erfolg keinen Abbruch. Die Leute liebten seinen spröden Humor, sein sonniges (und, ja – Sie ahnen es! – makelloses) Lächeln, sein wuscheliges rotes Haar, sein jungenhaftes Augenzwinkern, die zartfühlende Art, mit der er suggerierte, immer und auf jede nur erdenkliche Art für das ganzkörperliche Wohlbefinden seiner Mitmenschen einstehen zu wollen.
    Eben genau die Dinge, auf die ich damals auch hereingefallen war. Im Nachhinein redete ich mir gern ein, ich hätte ihn nur geheiratet, um ihm Gelegenheit zu verschaffen, endlich dem Einfluss seiner dominanten Mutter zu entfliehen, doch damit tat ich ihm wohl Unrecht. Er war fraglos dazu fähig, bei einer Frau Herzklopfen zu verursachen, und im Bett war er überraschend einfühlsam. Mit ihm kam ich sogar, und das muss ich lobend hervorheben, ab und zu zum Orgasmus. Bis dahin war ich nach einer Reihe frustrierender Sexerlebnisse mit schnell bereiten und noch schneller fertigen Jurastudenten der sicheren Überzeugung gewesen, unfähig zum Orgasmus zu sein, zumindest zu einem in Gegenwart eines Mannes.
    Dass ich mit Rainer auch ohne Einsatz eines Vibrators kommen konnte, war für mich eine Offenbarung, was mich vermutlich in der irrigen Auffassung bestärkt hat, dass es sich bei diesem Mann nur um Mister Right handeln konnte.
    Im Laufe unseres Zusammenlebens stellte sich dann rasch heraus, dass er einer der unerträglichsten Zeitgenossen war, denen ich je begegnet war. Nicht, dass er böswillig oder gar unhöflich gewesen wäre, im Gegenteil. Er war lustig, zärtlich, charmant. Er war wie immer. Doch er war außerdem völlig außerstande, auch nur den kleinsten Handgriff im Haushalt selbst zu tun.
    Die Waschmaschine war für ihn ein Konglomerat unüberwindlicher technischer Tücken. »Mit dem komischen Schleuderprogramm komme ich sowieso nicht zurecht, Liebes. Ich will da nichts kaputt machen.«
    Staubwischen und Putzen waren für ihn Tätigkeiten, die an Fremdartigkeit höchstens noch von exotischen balinesischen Tempelritualen übertroffen

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