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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ins Museum zurückkehrten, fuhr ich mit der Seilbahn hinab und nahm, unten angelangt, auch von ihnen Abschied, mit tausend Dank, dem Wohlwollen der Zukunft ein Wiedersehn herzlich anheimgebend. Ich tat, als lenkte ich meine Schritte gegen das ›Savoy-Palace‹, sah mich wohl um, machte kehrt und fuhr mit der nächsten Seilbahn wieder hinauf.
       Ich wußte die Gatterpforte vorm Häuschen offen. Das Wetter hatte von früh an zu mild herbstlicher Sonnigkeit zurückgefunden. Für Dona Maria Pia war es die Stunde der Siesta. Zouzou konnte ich gewiß sein im rückwärtigen Gärtchen zu finden, zu dem an des Hauses Flanke vorbei ein Kiesweg führte. Leisen und raschen Schrittes beging ich ihn. Dahlien und Astern blühten inmitten eines kleinen Rasenplatzes. Im Hintergrunde zur Rechten umgab das beredete Oleandergebüsch in schützendem Halbkreis die bezeichnete Bank. Die Liebe, etwas in Schatten Gestellte, saß dort in einem Kleide, ganz ähnlich dem, worin ich sie am ersten Tage gesehen, locker, wie sie es liebte, bläulich gestreift, mit dem Hüftband aus gleichem Stoff und etwas Spitzenstickerei am Saume der halblangen Ärmel. Sie las in einem Buch, von dem sie, obgleich sie mein behutsames Kommen doch wohl hören mußte, nicht aufblickte, bis ich vor ihr stand. Mir schlug das Herz.
    »Ah?« machte sie, die Lippen offen, die mir, wie der holde Elfenbeinteint ihres Gesichtes, um etwas bleicher schienen als sonst. »Noch hier?«
    »Wieder hier, Zouzou. Ich war schon unten. Ich bin heimlich zurückgekehrt, so hatt’ ich mir’s vorgenommen, zur Einlösung meines Versprechens.«
    »Wie löblich!« sagte sie. »Der Herr Marquis hat sich auf seine Schuldigkeit besonnen – ohne Übereilung. Die Bank hier ist allmählich zu einer Art von Wartebank geworden …« Sie hatte zuviel gesagt und biß sich auf die Lippen.
    »Wie konnten Sie denken«, beeilte ich mich zu erwidern, »ich würde unserer Abmachung im bildhübschen Kreuzgang die Treue nicht halten! Ich darf mich zu Ihnen setzen? Die Bank hier im Gebüsch ist entschieden traulicher als unsere anderen da, an den Tennisplätzen. Ich fürchte, das Spiel werde ich nun wieder vernachlässigen und verlernen …«
    »Nun, die Meyer-Novaro drüben werden doch einen Tennisplatz haben.«
    »Möglich. Dasselbe wäre es nicht. Der Abschied von Lissabon, Zouzou, wird mir schwer. Ich habe unten Ihrem verehrten Papa Adieu gesagt. Wie denkwürdig hat er vorhin über die frommen Verrichtungen der Menschheit gesprochen! Die Corrida, gestern, war doch ein – ich will mindestens sagen: kurioser Eindruck.«
    »Ich habe nur wenig hingeschaut. Auch Ihre Aufmerk
    samkeit schien geteilt – wie sie es vorzugsweise ist. Aber zur Sache, Marquis! Wo sind meine Dessins?« »Hier«, sagte ich. »Es war Ihr Wille … Sie verstehen, es sind träumerische Produkte, unwissentlich, sozusagen, entstanden …«
    Sie hielt die wenigen Blätter, betrachtete das oberste. Es war da Zaza’s Körper, verliebt gezeichnet, in der und der Stellung. Die flachen Ohr-boutons stimmten, noch genauer die Haarfransen. Das Gesicht wies geringe Verwandtschaft auf, doch was galt hier das Gesicht! Ich saß so gerade wie Dona Maria Pia, auf alles gefaßt, willigend in alles und im voraus ergriffen von allem, was da kommen mochte. Eine tiefe Röte überzog beim Anblick der eigenen süßen Nacktheit ihr Gesicht. Sie sprang auf, zerriß ritsch und ratsch, kreuz und quer die Kunstwerke und streute die flatternden Stücke in die Luft. Gewiß, das hatte alles so kommen müssen. Was aber nicht kommen mußte und dennoch kam, war dies: Einen Augenblick starrte sie mit verzweifelter Miene auf die herumliegenden Fetzen am Boden, und im nächsten gingen die Augen ihr über, sie sank auf die Bank zurück, schlang die Arme um meinen Hals und barg das glühende Gesicht an meiner Brust, unter kleinen Atemstößen, die lautlos waren und das Erdenklichste dennoch verlautbarten, während zugleich – und das war das Allerrührendste – ihre kleine geballte Faust, die linke, immerfort im Takt gegen meine Schulter hämmerte. Ich küßte ihren bloßen Arm an meinem Halse, ich hob ihre Lippen auf zu mir und küßte die erwidernden, ganz wie ich es erträumt, ersehnt, mir zum Ziel gesetzt, als ich sie, meine Zaza, zum ersten Mal auf dem Platze Rocio gesehen. Wer wohl, dessen Auge diese Zeilen durchfliegt, wird mich nicht beneiden um so süße Sekunden? Und nicht beneiden auch sie, die, wenngleich unter kleinem Faustgetrommel, zur Liebe

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