Monsterkopf
Mit seinem Truck stand Ramsey nicht allein auf dem Parkplatz. Auch andere Wagen parkten hier. Die Fahrzeuge standen so verteilt, dass niemand auf den anderen achtete. Die meisten der Kollegen lagen in ihren Kojen und schliefen.
Mitternacht war vorüber. Der Himmel hatte sich zugezogen wie ein mächtiger Vorhang. Er verdeckte das Licht der Gestirne. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass sie überhaupt nicht vorhanden waren. Mit beiden Händen hatte der Herbst nach der Natur gegriffen. Der Wind holte die Blätter von den Bäumen und schleuderte das in verschiedenen Farben leuchtende Laub vor sich her.
Herbst – Zeit der Depression. Das Sterben der Natur, die Monate später wieder erwachte. Die Zeit des Halloween, die seit einigen Tagen vorbei war. Zeit der Toten – und gerade richtig, um seinem Leben ein Ende zu setzen.
Der innere Druck wollte bei Ramsey nicht weichen. Das Kratzen im Hals auch nicht. Sein Leben würde nur noch Minuten dauern, und er fragte sich, was danach kommen würde.
Keiner wusste es, außer...
Aber an ihn glaubte er nicht. Ramsey war den anderen Weg gegangen, und das mit großer Freude. Nun aber begann er zu zweifeln. Was er hatte, das hatte er, und was er war, das...
Unsinn! Nur nicht ablenken lassen. Es war wirklich so einfach. Der Griff unter den Sitz, und er würde den stupsnasigen Revolver in der Hand halten. Der Rest war wirklich nur ein Kinderspiel.
Er holte die Waffe!
Als er seine Finger um den Kolben schloss und gegen den Revolver schaute, da sah er das Schimmern des Metalls. Es hatte ihn viel Geduld und Nerven gekostet, sich das tödliche Ding zu besorgen, und er sah nicht ein, dass er jetzt einen Rückzieher machte. Die Botschaft hatte er erhalten. Auch wenn er sich nicht selbst umbrachte, wäre er verloren. Er hatte sich auf das Spiel eingelassen, also zog es bis zum Ende durch.
Langsam hob er den rechten Arm. Er war nicht nur durch das Gewicht der Waffe schwer geworden. Auch ihm selbst fiel es nicht leicht, aber das musste sein.
Er drückte die Mündung gegen die rechte Schläfe, nachdem er das Handgelenk gedreht hatte. Dass er nicht zitterte, darüber wunderte er sich. Es konnte auch an dem Druck liegen, den er verstärkt hatte, als wollte er nicht, dass die Mündung noch mal abrutschte.
Er atmete langsam.
Letzte Atemzüge. Die Augen waren weit geöffnet. Ramsey starrte durch die Scheibe nach vorn. Viel sah er nicht, weil sich die Feuchtigkeit wie ein Film auf die Scheibe gelegt hatte. Er wollte nicht mehr denken und alles ausschalten. Auch nicht weinen oder...
Sein rechter Zeigefinger fand den Abzug. Mit dem Daumen legte er den Hebel zurück und spannte den Revolver. Jetzt reichte ein kleiner Druck, um die Kugel aus dem Lauf in seinen Kopf jagen zu lassen.
Genau in diesem Augenblick klopfte es gegen die Scheibe!
Es war ein Geräusch, das Ramsey nicht überhören konnte. Und es hatte ihn so überraschend getroffen, dass er den Abzug nicht durchzog und zur Statue erstarrte.
Die Hand sank nicht nach unten, als er den Kopf drehte. Er würde sich selbst umbringen, aber er wollte zuvor sehen, wer da gegen die Scheibe geklopft hatte.
Er sah ein Gesicht!
Das einer Frau!
Er sah auch die Mütze auf dem Kopf und wusste Bescheid. Hier war keine normale Besucherin erschienen, sondern eine Polizistin, die mit einem einzigen Blick die Lage überschaute.
Ich hätte die Tür verriegeln sollen!, dachte Matt Ramsey noch. Zu spät, denn sie wurde von einer kräftigen Hand aufgerissen...
***
Kate Boone gehörte zu den Polizistinnen, die sich keine Illusionen über ihren Job machten. Sie war nicht nur am Tag unterwegs, sondern auch in der Nacht, doch sie hatte sich immer vorgestellt, bei einer Sondereinheit der Polizei zu arbeiten. Genau das war auch eingetreten. Sie gehörte einer Einheit an, die stets unterwegs war, um die Autobahnen und die Nebenstrecken zu kontrollieren, denn nicht nur auf den Straßen des Festlands hatte der Schmuggel zugenommen, er war auch auf die Insel übergeschwappt. Mit geschmuggelten Zigaretten konnte ein Vermögen verdient werden und wurde auch verdient, nachdem die Glimmstängel teurer geworden waren.
So waren Kate und ihre Kollegen am Tag und in der Nacht unterwegs, um den Schmugglern auf die Spur zu kommen. Sie fuhren nicht in irgendwelchen Streifenwagen. Durch ihre normalen Fahrzeuge waren sie gut getarnt, und sie konnten sich auch so manche Erfolge an ihre Fahnen heften.
Es war ein harter Job. Nichts für Weicheier. Das störte Kate Boone
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