Bel Ami (German Edition)
Lächeln, das die Frauen verwirrte ... Dann sagte er sehr leise :
»Ich bin Ihr Sklave.«
Und nun erzählte sie ihm, wie sie ihn liebte, wie sie das bemerkt hatte, als er Madeleine Forestier heiraten wollte. Sie sprach von Einzelheiten, von den kleinen Tatsachen. Plötzlich schwieg sie. Der Wagen hielt und Du Roy öffnete die Tür.
»Wo sind wir?« fragte sie.
»Steigen Sie aus,« erwiderte er, »und gehen Sie in dies Haus; dort werden wir es bequemer haben.«
»Wo sind wir denn eigentlich?«
»Bei mir. Es ist meine Junggesellenwohnung, die ich genommen habe ... für einige Tage ... um die Möglichkeit zu haben, Sie zu sehen.«
Sie klammerte sich an das Polster des Wagens fest und stammelte:
»Nein, nein, ich will nicht! Ich will es nicht!«
»Ich schwöre Ihnen, Sie zu schonen«, sagte er mit energischer Stimme. »Kommen Sie, Sie sehen doch, daß wir beobachtet werden, die Menschen werden sich ansammeln. Kommen Sie, steigen Sie aus.«
Und er wiederholte:
»Ich schwöre Ihnen, daß ich Ihnen nichts antun werde!«
Ein Weinhändler sah sie neugierig an. Sie wurde von Schreck ergriffen und eilte ins Haus.
Sie wollte die Treppe hinaufsteigen, aber er hielt sie zurück:
»Hier im Erdgeschoß«, sagte er.
Sobald sie im Zimmer waren, ergriff er sie wie eine Beute. Sie wehrte sich, kämpfte, stammelte: »Oh, mein Gott! Oh, — — mein Gott!« — — —
Er küßte ihr die Augen, die Haare, den Mund, den Hals; sie versuchte seinen Küssen zu entweichen und trotzdem erwiderte sie seine Küsse wider Willen. Plötzlich hörte sie auf zu kämpfen; sie war besiegt und ließ sich von ihm entkleiden. Schnell und geschickt wie eine geübte Kammerzofe zog er ihr eins nach dem anderen ihrer Kleidungsstücke aus.
Das Korsett riß sie ihm aus den Händen heraus, um ihr Gesicht darin zu verbergen, und nun stand sie elfenbeinnackt inmitten ihrer Hüllen, die ihr zu Füßen gefallen waren. Er ließ ihr die Schuhe an und trug sie auf den Armen aufs Bett. Da stammelte sie ihm mit gebrochener Stimme ins Ohr:
»Ich schwöre Ihnen, ... ich schwöre Ihnen, ich habe noch nie einen Geliebten gehabt.«
Wie ein junges Mädchen, das gesagt hatte: »Ich schwöre Ihnen, daß ich noch eine Jungfrau bin.«
Er dachte: »Das ist mir wirklich ganz gleichgültig.«
V
Der Herbst war gekommen. Die Du Roys waren den ganzen Sommer in Paris geblieben und führten während der kurzen Kammerferien einen energischen Feldzug zugunsten der neuen Regierung.
Zwar war es erst Anfang Oktober; aber die Kammer hatte bereits ihre Sitzungen wieder aufgenommen, denn die Marokkoaffäre wurde immer ernster und verwickelter. Eigentlich glaubte ja niemand an die Expedition nach Tanger. Obwohl am Tage, wo das Parlament auf Ferien ging, ein Abgeordneter der Rechten, Graf Lambert-Sarrazin, in einer geistreichen Rede, die sogar im Zentrum Beifall fand, erklärt hatte, er wolle — wie einst ein berühmter Vizekönig von Indien — mit seinem Schnurrbart gegen den Backenbart des Ministerpräsidenten wetten, daß das neue Kabinett genau so handeln würde wie das frühere, und auch ein Expeditionskorps nach Tanger schicken würde, wie einst nach Tunis, schon der Symmetrie wegen, wie man zwei Vasen auf einen Kamin stellt.
Er fügte noch hinzu: »Die afrikanischen Länder sind für Frankreich tatsächlich ein Kamin, meine Herren, ein Kamin, der gut zieht und unser bestes Holz verzehrt und den man mit Bankaktien heizen muß. Sie haben sich die Laune gestattet, die linke Ecke mit einer tunesischen Kostbarkeit zu schmücken, die Ihnen teuer zu stehen kommt, nun werden Sie sehen, daß Herr Marot seinen Vorgänger nachahmen und auch die rechte Ecke mit einer Kostbarkeit schmücken wird.
Diese Rede war berühmt geworden. Du Roy hatte im Anschluß daran zehn Artikel über die Kolonisation Algiers veröffentlicht; die ganze Serie, die er bei Beginn seiner Journalistenlaufbahn unterbrechen mußte. Er trat energisch für eine militärische Expedition ein, obwohl er überzeugt war, daß sie niemals stattfinden würde. Er gebärdete sich überpatriotisch und überschüttete Spanien mit allen möglichen beleidigenden und verächtlichen Bemerkungen, die man gegen Völker gebraucht, deren Interessen den eigenen zuwiderlaufen.
Die Vie Française hatte durch die Beziehung zu der herrschenden Staatsgewalt außerordentliches Ansehen und Bedeutung gewonnen. Sie brachte die politischen Neuigkeiten früher als die maßgebenden altbewährten Blätter und legte die Absichten der ihr
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