Bel Ami (German Edition)
sprechen, gab dessen Richtlinien an, stellte dem Minister einige Fragen und kritzelte ein paar Notizen auf seine Visitenkarte; als er fertig war, fragte er:
»Wollen Sie noch etwas ändern, verehrter Minister?«
»Sehr wenig, mein lieber Freund. Vielleicht sind Ihre Angaben über die Marokkofrage etwas zu positiv. Behandeln Sie die Sache so, als ob die Expedition stattfinden würde; aber andererseits lassen Sie deutlich durchblicken, das nichts Derartiges geschehen wird, und daß Sie selbstverständlich nicht daran glauben. Geben Sie dem Publikum zu verstehen — wir denken nicht daran, uns in dieses Abenteuer einzulassen.«
»Sehr gut, ich habe es verstanden und werde es den Lesern auch verständlich machen. Meine Frau bat mich noch, Sie zu fragen, ob der General Belloncle nach Oran geschickt würde. Nach dem, was Sie mir eben erklärt haben, nehme ich wohl an, daß es nicht der Fall ist.«
Der Staatsmann erwiderte:
»Nein.«
Dann sprach man über die bevorstehende Eröffnung der Kammer. Laroche-Mathieu begann nun zu reden; er wollte die Wirkung der Phrasen ausprobieren, die er sich vorbereitet hatte, um sie in wenigen Stunden vor seinen Kollegen auszustreuen. Er schwang dabei die rechte Hand, in der er bald die Gabel, bald das Messer, bald ein Stückchen Brot hielt. Er wandte sich dabei an die unsichtbare Versammlung und entlud seine süßlich-fließende Beredsamkeit des hübschen wohlfrisierten Mannes. Sein winziger hochgedrehter Schnurrbart endete mit zwei Spitzen, und sein Haar, das in der Mitte gescheitelt und reichlich mit Brillantine eingefettet war, umgab seine Schläfen so, daß er wie ein Provinzgeck aussah. Trotz seiner Jugend war er etwas zu dick, etwas aufgeschwemmt und die Weste spannte sich über seinem Bäuchlein. Der Privatsekretär aß und trank ruhig weiter, denn er war offenbar an solche Redeergüsse gewöhnt. Du Roy jedoch, dem der Neid auf den errungenen Erfolg am Herzen nagte, dachte dabei: »Du altes Kamel, was für Dummköpfe sind doch diese Politiker!«
Sein eigener Wert kam ihm im Vergleich zu der geschwätzigen Wichtigtuerei des Ministers um so mehr zum Bewußtsein, und er sagte sich: »Wenn ich nur 100000 Francs bar hätte, um mich in meiner schönen Heimat als Deputierten aufstellen zu lassen! O Gott! Wie würde ich meine wackeren, pfiffigen und schwerfälligen Normannen hereinlegen, und was für ein Staatsmann würde ich werden, im Vergleich zu diesen kurzsichtigen Schwätzern!«
Herr Laroche-Mathieu redete bis zum Kaffee. Dann sah er, daß es spät wurde, er klingelte, ließ sein Coupé vorfahren und reichte dem Journalisten die Hand:
»Alles recht verstanden, mein lieber Freund?«
»Vollkommen, verehrter Minister. Sie können sich auf mich verlassen.«
Du Roy ging langsam auf die Redaktion, um seinen Artikel aufzusetzen, denn er hatte sonst bis vier Uhr nichts zu tun. Um vier sollte er sich in der Rue Constantinople mit Madame de Marelle treffen, mit der er regelmäßig, zweimal wöchentlich, Montags und Freitags, zusammen war.
Doch als er auf die Redaktion kam, überreichte man ihm eine geschlossene Depesche. Sie war von Frau Walter und lautete:
»Ich muß dich unbedingt heute sprechen. Es ist etwas sehr Wichtiges. Erwarte mich um zwei Uhr in der Rue Constantinople. Ich kann dir einen großen Dienst erweisen
Deine Freundin bis zum Tode,
Virginie.«
Er schimpfte: »Donnerwetter, dieses klebrige Weib.« Und in einem Anfall schlechter Laune verließ er sofort die Redaktion; denn er war zu aufgeregt, um weiterzuarbeiten.
Seit sechs Wochen versuchte er vergebens, mit ihr zu brechen. Doch sie klammerte sich mit zäher Anhänglichkeit an ihn.
Gleich nach ihrem Fehltritt hatte sie furchtbare Gewissensbisse gehabt und bei den drei aufeinanderfolgenden Zusammenkünften ihn mit Vorwürfen bitterster Art überschüttet. Ihm wurden diese Szenen langweilig, denn er war dieser überreifen und dramatischen Frau sehr schnell überdrüssig geworden; er zog sich einfach zurück und hoffte, daß dieses Abenteuer auf diese Weise so ohne weiteres ein Ende finden würde. Nun aber hing sie sich an ihn und stürzte sich wie wahnsinnig in diese Liebe, wie man sich in einen Fluß stürzt, mit einem Stein am Halse. Aus Schwäche, Gutmütigkeit und Rücksicht hatte er sich wieder mit ihr eingelassen. Und nun umgab sie ihn mit einer zügellosen ermüdenden Leidenschaft und verfolgte ihn mit ihren Zärtlichkeiten. Sie wollte ihn jeden Tag sehen, bestellte ihn alle Augenblicke durch Telegramme zu
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