Bel Ami (German Edition)
Lieblingsthema, der Akademie, da fragte sie:
»Herr Duroy, Sie müßten doch über die Frage besser orientiert sein als jeder andere. Wem würden Sie den Vorzug geben?«
Er antwortete, ohne zu zaudern:
»In dieser Frage, Madame, würde ich nie den strittigen Punkt über die literarischen Verdienste des einen oder des anderen Kandidaten ins Auge fassen, wohl aber ihr Alter und ihren Gesundheitszustand. Ich würde nicht nach ihren Aussichten, sondern nach ihren Krankheiten fragen. Ich würde mich nicht erkundigen, ob sie Lope de Vega in französische Verse übertragen, sondern nach dem Zustand ihrer Lebern, Herzen, Nieren und Rückenmarke. Für mich sind eine gute Herzerweiterung oder eine Nierenentzündung und vor allem ein hübscher Anfang einer Rückenmarkschwindsucht hundertmal mehr wert als eine vierzig Bände dicke literarisch-wissenschaftliche Arbeit über den Begriff der Vaterlandsliebe in der Literatur der wilden Völkerschaften.«
Ein erstauntes Schweigen folgte dieser Erklärung.
Frau Walter fragte lächelnd: »Warum denn eigentlich?«
Er antwortete: »Weil ich bei allen Dingen nur danach frage, welche Freude sie den Damen machen können. Nun aber interessiert man sich in Wirklichkeit für die Akademie doch nur dann, wenn ein Akademiker stirbt. Je mehr davon sterben, desto glücklicher müssen sie sein. Aber damit sie bald sterben, müßte man immer Alte und Kranke ernennen.«
Da die Damen noch etwas betroffen waren, fuhr er fort: »Übrigens geht es mir ebenso wie Ihnen. Ich lese die Pariser Nachrichten über den Tod eines Akademikers. Ich stelle sofort die Frage: Wer wird an seine Stelle treten? Und ich stelle meine Liste auf. Das ist ein Spiel, ein hübsches, kleines Spiel, das man in allen Pariser Salons beim Hinscheiden eines Unsterblichen spielt: das Spiel des Todes und der vierzig Greise.«
Man war immer noch einigermaßen erstaunt, begann aber jetzt zu lachen, so treffend war seine Bemerkung.
Nun schloß er, während er gleichzeitig aufstand: »Sie, meine Damen, ernennen die Akademiker, und Sie ernennen sie, um sie sterben zu sehen. Wählen Sie also alte, die ältesten, und nach dem Rest fragen Sie nicht.«
Mit graziöser Haltung ging er dann hinaus.
Als er fort war, fragte eine der Damen:
»Wer ist es eigentlich? Ein sehr witziger Mensch!«
»Einer unserer Redakteure«, erwiderte Frau Walter. »Er hat vorläufig noch keine hervorragende Stellung an der Zeitung, aber ich bin überzeugt, daß er bald hochkommen wird.«
Duroy ging fröhlich, mit großen, tanzenden Schritten den Boulevard Malesherbes hinunter und murmelte zufrieden:
»Ein guter Abgang.«
Am Abend söhnte er sich mit Rahel wieder aus.
Die folgende Woche brachte ihm zwei Ereignisse: er wurde zum Leiter des Nachrichtenteils ernannt und erhielt eine Einladung von Frau Walter zum Diner. Er begriff sofort, daß ein innerer Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen bestand.
Die Vie Française war vor allen Dingen ein Börsenblatt, denn ihr Begründer war ein Finanzmann, der die Presse und sein Deputiertenmandat nur als Mittel zum Zweck betrachtete. Die Gutmütigkeit und wohlwollende Neutralität allem gegenüber war für ihn eine Waffe, und er spekulierte stets unter der lächelnden Maske des braven Mannes. Aber für alle seine Geschäfte benutzte er nur Menschen, die er vorher nach jeder Richtung hin beobachtet und erprobt hatte, und die er für schlau, geschickt und gerieben hielt. Duroy schien ihm an der Spitze des lokalen Nachrichtendienstes eine sehr brauchbare Persönlichkeit zu sein.
Bisher hatte der Redaktionssekretär Boisrenard diesen Posten verwaltet. Er war ein alter Journalist, korrekt, pünktlich und gewissenhaft wie ein Beamter. Seit dreißig Jahren war er Redaktionssekretär von elf verschiedenen Zeitungen, ohne seine Handlungs- und Anschauungsweise irgendwie zu ändern. Er wechselte die Redaktionen wie die Restaurants, und er merkte kaum, daß die Küche immer eine andere war. Politische und religiöse Anschauungen blieben ihm fremd. Er war der Zeitung, in der er gerade angestellt war, ergeben, arbeitete fleißig und wurde wegen seiner Erfahrung geschätzt. Trotzdem hielt er sehr auf seine Berufsehre, und er hätte sich nie zu etwas hergegeben, was er von seinem journalistischen Berufsstandpunkt für unehrenhaft, inkorrekt und unsauber gehalten hätte. Herr Walter achtete ihn deshalb zwar sehr hoch, aber gerade an der Spitze des lokalen Teils, der seiner Ansicht nach das Mark der Zeitung bildete,
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