Die Zeit: auf Gegenkurs
Philip K. Dick
geboren am 16.12.1928 in Chicago, veröffentlichte mit 14 seine erste Erzählung, schrieb in der Folge über 60 Romane, war fünfmal verheiratet, hatte 1974 mysteriöse Visionen und verbrachte den Rest seines Lebens damit herauszufinden, ob sie göttlichen oder psychotischen Ursprungs waren; er starb an einem Schlaganfall am 2.3.1982 in Santa Ana, California.
Die Zeit: Auf Gegenkurs
1998, nach dem Einsetzen der Hobart-Phase, wundert sich auch der Polizist Tinbane nicht mehr, wenn ihn jemand während eines Streifengangs aus dem Grab heraus anspricht: denn die Zeit läuft zurück, die Toten werden wieder lebendig – und die Menschen jünger. Doch dies bringt Probleme mit sich, denn die »Altgeborenen«, die ausgegraben werden, damit sie sich wieder in den Schoß ihrer Familie begeben können, sind nicht immer erwünscht. Seine Heiligkeit Thomas Peake beispielsweise, der Gründer einer einflußreichen schwarzen Religionsgemeinschaft, hat inzwischen einen Nachfolger gefunden, dem scheinbar nichts daran liegt, daß sein Vorgänger zu den Lebenden zurückkehrt. Und Sebastian Hermes, der Peake in Erwartung einer großen Belohnung ausgegraben hat, sieht sich bald einer Entwicklung gegenüber, die ihn Kopf und Kragen kosten kann: Auch die allmächtige Stadtbibliothek, deren Aufgabe darin besteht, die philosophischen Werke Verstorbener zu »löschen«, zeigt unerwartetes Interesse an seinem Schützling…
Die Zeit: Auf Gegenkurs
ROMAN
Science Fiction
Ullstein Buch Nr. 31173
im Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin
Titel der Originalausgabe: COUNTER-CLOCK WORLD
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Ziegler
Neuausgabe
Umschlaggestaltung: Hansbernd Lindemann
Umschlagillustration: Ned Dameron
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 1967 by Philip K. Dick
Published by arrangement with the
author’s agent
Übersetzung Copyright © 1988 by
Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin
Printed in Germany 1988
Gesamtherstellung: Ebner Ulm
ISBN3 548 31173 3
September 1988
CIP-Titelaufnahme
der Deutschen Bibliothek
Dick, Philip K.:
Die Zeit: auf Gegenkurs: Roman / Philip K. Dick.
[Aus d. Amerikan. übers. von Thomas Ziegler]. – Neuausg. –
Frankfurt/M; Berlin: Ullstein, 1988
(Ullstein-Buch; Nr. 31173: Science-fiction)
Einheitssacht.: Counter-clock world
‹dt.›
ISBN 3-548-31173-3
NE:GT
1. K APITEL
Es gibt keinen Ort;
wir gehen rückwärts und vorwärts,
und es gibt keinen Ort.
– Augustinus
Als er spät abends mit seinem Streifenwagen an dem außergewöhnlich kleinen, abgelegenen Friedhof vorbeischwebte, hörte der Polizeibeamte Joseph Tinbane bedauernswerte, vertraute Laute. Eine Stimme. Sofort lenkte er den Streifenwagen über die spitzen Gitterstäbe des schlecht erhaltenen Friedhofzauns, landete auf der anderen Seite, horchte.
Gedämpft und matt sagte die Stimme: »Ich heiße Mrs. Tilly M. Benton, und ich möchte heraus. Kann mich jemand hören?«
Tinbane ließ seine Lampe aufleuchten. Die Stimme drang unter dem Gras hervor. Genau wie er es erwartet hatte: Mrs. Tilly M. Benton befand sich unter der Erde. Er schaltete das Mikrofon seines Funksprechgeräts ein und sagte: »Ich bin auf dem Forest-Knolls-Friedhof – ich glaube jedenfalls, daß er so heißt – und ich habe hier einen 1206. Besser, ihr schickt einen Krankenwagen mit einem Ausgrabungstrupp her; nach dem Klang der Stimme zu urteilen, ist es dringend.«
»Okay«, drang es aus dem Funkgerät. »Unser Ausgrabungstrupp wird bis zum Morgen da sein. Können Sie einen provisorischen Notschacht anlegen, um sie mit Luft zu versorgen? Bis unser Trupp dort eintrifft – sagen wir, gegen neun oder zehn Uhr morgens?«
»Ich werde tun, was in meinen Kräften steht«, antwortete Tinbane und seufzte. Das bedeutete, daß er die ganze Nacht über Wache halten mußte. Und die matte, zittrige Stimme unter ihm würde ihn in ihrer senilen Art anflehen, sich zu beeilen. Würde flehen und flehen. Ohne Unterlaß.
Dieser Teil seiner Arbeit gefiel ihm an wenigsten. Die Rufe der Toten; er haßte diese Laute, und er hatte sie oft gehört, die Rufe, und bei so vielen Gelegenheiten. Männer und Frauen, hauptsächlich alte, aber auch jüngere, manchmal Kinder. Und die Ausgrabungstrupps brauchten immer so lange, bis sie eintrafen.
Tinbane schaltete erneut das Mikro ein und sagte: »Ich habe die Nase voll. Ich möchte versetzt werden. Ich meine es ernst; dies ist ein offizielles Gesuch.«
Fern, von unten, rief die kraftlose, alte
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