Belladonna
beobachtete sie. Er hätte sie gern gefragt, was sie am frühen Morgen in seiner Küche zu suchen hatte. Er hätte sie gern gefragt, warum sie sich in letzter Zeit so seltsam benahm.
«Jeff?», fragte Sara und kramte weiter im Kühlschrank.
«Hm?»
«Starrst du auf meinen Hintern?»
Jeffrey schmunzelte. Er hatte es zwar nicht getan, antwortete aber: «Ja.»
Sara richtete sich auf und hielt einen Puddingbecher wie eine Siegestrophäe in die Höhe. «Der letzte.»
«Ja.»
Sara riss den Deckel vom Puddingbecher und setzte sich mit Schwung auf den Küchentresen. «Das wird eine schlimme Sache.»
«Meinst du?»
«Na ja.» Sie zuckte die Achseln und leckte den Pudding vom Deckel. «College-Studentinnen, die vergewaltigt werden. Die sich umbringen. Das passt doch eigentlich gar nicht zu uns, oder?»
Wieder war Jeffrey überrascht von ihrer scheinbar unbekümmerten Art. Das entsprach Sara ganz und gar nicht, aber in letzter Zeit wusste er überhaupt nicht mehr, wie sie eigentlich war.
«Finde ich auch», sagte er.
«Hast du es ihren Eltern gesagt?»
Jeffrey antwortete: «Frank hat sie am Flughafen abgeholt.» Er hielt inne und fügte dann hinzu: «Ihren Vater.» Wieder hielt er inne. Den von Schmerz und Trauer gepeinigten Gesichtsausdruck von Jon Matthews würde Jeffrey nicht so schnell wieder vergessen.
«Den Vater hat es sehr mitgenommen, hm?», sagte Sara. «Daddys hören es nicht gern, dass man mit ihren kleinen Mädchen rumgemacht hat.»
«Glaube ich auch», sagte Jeffrey und staunte über ihre Ausdrucksweise.
«Da glaubst du richtig.»
«Ja», sagte Jeffrey. «Ihn hat es sehr mitgenommen.»
Etwas blitzte in Saras Augen auf, aber sie senkte den Blick, bevor er hätte sagen können, was los war. Sie nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas und verschüttete dabei etwas auf ihr Hemd. Sie fing tatsächlich zu kichern an.
Obwohl er es besser hätte wissen müssen, fragte Jeffrey: «Was ist nur los mit dir, Sara?»
Sie deutete auf seine Taille. «Wann hast du angefangen, so was zu tragen?», fragte sie.
Jeffrey sah an sich hinunter. Da er nichts anderes am Leib trug als die grünen Boxershorts, nahm er an, dass sie von ihnen sprach. Er sah sie wieder an, zuckte die Achseln und sagte: «Vor einer Weile.»
«Vor weniger als zwei Jahren», kommentierte sie und leckte weiter an dem Pudding.
«Ja», erklärte er und ging mit zur Seite ausgestreckten Armen auf sie zu, seine Unterhosen präsentierend. «Gefallen sie dir?»
Sie klatschte applaudierend in die Hände.
«Was tust du hier, Sara?»
Sekundenlang sah sie ihm in die Augen und stellte dann den Pudding neben sich ab. Sie lehnte sich zurück, wobei ihre Fersen leicht gegen die unteren Fächer im Tresen stießen. «Ich hab neulich an den Tag denken müssen, als ich auf dem Steg saß. Erinnerst du dich?»
Er schüttelte den Kopf, weil sie praktisch jede freie Sekunde jedes Sommers auf dem Steg verbracht hatten.
«Ich war gerade schwimmen gewesen und saß auf dem Steg und bürstete mir das Haar. Und dann kamst du, nahmst die Bürste und bürstetest es für mich.»
Er nickte. Ihm fiel ein, dass er an genau diese Situation gedacht hatte, als er am Morgen im Krankenhaus aufgewacht war. «Ich erinnere mich.»
«Du hast mir mindestens eine Stunde lang das Haar gebürstet. Weißt du das auch noch?»
Er lächelte.
«Du hast mir einfach nur das Haar gebürstet, bis es dann Zeit fürs Abendessen wurde. Erinnerst du dich?»
Er nickte.
«Was habe ich falsch gemacht?», fragte sie, und ihr Blick brachte ihn fast um. «War es der Sex?»
Er schüttelte den Kopf. Sex mit Sara war die erfüllendste Erfahrung seines Erwachsenenlebens gewesen. «Natürlich nicht», sagte er.
«Wolltest du, dass ich dir das Abendessen mache? Oder öfter da wäre, wenn du nach Hause kamst?»
Er wollte sich ein Lachen abringen. «Du hast mir doch mal das Abendessen gemacht, weißt du nicht mehr? Ich war drei Tage lang krank.»
«Ich mein es ernst, Jeff. Ich will wissen, was ich falsch gemacht habe.»
«Es lag nicht an dir», antwortete er und wusste, dass es abgedroschen klingen musste, noch bevor er den Satz beendet hatte. «Es lag an mir.»
Sara seufzte tief. Sie griff nach dem Glas und leerte es in einem Zug.
«Ich war dumm», fuhr er fort, obwohl er wusste, dass er lieber den Mund halten sollte. «Ich hatte Angst, weil ich dich so sehr liebte.» Er hielt inne, weil er sich richtig ausdrücken wollte. «Ich dachte, dass du mich nicht so sehr brauchtest, wie ich dich
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