Benjamins Gärten (German Edition)
bemerke irritiert, dass er barfuß ist. Das ist das erste Mal, dass ich ihn barfuß im Freien sehe. Eine Asphaltstraße ist nicht der rechte Ort für diese Initiation. Und ich weiß immer noch nicht, warum wir in der Hitze durchs Dorf laufen. Kein Mensch ist auf der Straße.
Wir kommen der Villa näher. Im Schutz der Auffahrt nimmt Marek meine Hand. Wir gehen die Auffahrt hinauf, und ich stelle fest, dass es mir gefällt, Hand in Hand mit ihm zu laufen.
Marek wirft nur einen kurzen Blick auf das Haus, führt mich dann herum. Wir streifen über die Wege, durch den Dschungel aus Rhododendron. Ich zeige ihm die Wiese, auf der ich das Gras habe wachsen lassen, kein englischer Rasen hier. Der Tümpel, dessen Zufluss ich gereinigt habe. Am Ufer wachsen jetzt zarte wilde Schwertlilien und Binsen, die sich im Wasser spiegeln. Der Cherub steht immer noch schief und moosbewachsen da.
Marek lässt sich alles von mir erklären, sagt nichts. Wir erreichen das Ende des Gartens. Neben den Pavillon mit den chinesischen Schnitzereien habe ich Bambus gepflanzt, der im Wind raschelt. Davor habe ich zwei alte Gartenstühle gestellt, dazu Steine und eine Schale mit Wasser.
Marek ist stehen geblieben: »Das ist toll! Du hast ja richtig Ahnung davon.«
Ich schüttle den Kopf: »Ich bin nur meinem Gefühl gefolgt.«
»Wäre das nicht etwas für dich? Als Beruf?«
Ich überblicke, was ich geschaffen habe, sehe, was man noch verändern könnte, wo man der Natur ihren Lauf lassen muss. Marek erzählt etwas vom Studieren, von Landschaftsarchitektur und Gartenbau. Ich drehe überrascht den Kopf zu ihm: »Das traust du mir zu?«
Er nickt mit großer Selbstverständlichkeit. Wir gehen zurück durch den Garten, den ich gezähmt habe, ich lasse meinen Blick hindurchschweifen.
»Ich glaube, ich möchte lieber etwas Praktisches tun.«
Etwas Praktisches, ja. Mit den Händen schaffen, was ich im Geist sehe. Vielleicht wäre das wirklich etwas für mich. Marek richtet einen umgekippten Blumentopf neben dem Haus wieder auf, holt die Post aus dem Briefkasten.
»Lass uns zurückgehen.«
Ich drehe mich irritiert zu ihm um. Wollte er sich nicht der Villa widmen? Marek hat sich schon zur Auffahrt gewandt. Aber ich gehe über die Wiese zum Bach.
»Komm, hier.« Ich lache ihn an, plötzlich heiter und übermütig.
Ich warte kaum, bis er mir gefolgt ist, gehe am Bach entlang. Über schmale Ufersäume, über Steine, über den sandigen Grund. Durch das in der Hitze spärlich gewordene, träge Wasser. Ich springe von Stein zu Stein und fühle die Unbeschwertheit meiner Kindheit in meiner Brust.
Dann drehe ich mich herum, warte, bis Marek näher gekommen ist. Sein Gesicht ist angespannt, er tritt vorsichtig auf, unsicher auf dem unebenen, steinigen Bachbett. Er steigt aus dem Wasser auf einen Stein, tritt auf den nächsten. Fällt fast in den Bach, weil der kippelt. Ich trete zu ihm, strecke die Hand aus, gebe ihm Halt, während er auf den nächsten Stein tritt.
»Wenn ich studieren würde, was ist dann mit meinem Haus?«, frage ich ihn.
»Du fährst Montag hin und kommst Donnerstag wieder zurück.«
Er schaut mich an, neugierig, abwartend. So einfach ist es also in seinen Augen. So einfach könnte sich die Welt für mich öffnen.
»Vielleicht würdest du dich dann auch entscheiden, woanders zu leben.«
»Ich habe mich ja noch gar nicht fürs Hierleben entschieden.« Wir bleiben stehen. Marek sieht mich unverwandt an, ernst und eindringlich. Ich weiche seinem Blick aus. Betrachte die Bäume, die sich im ruhigen Wasser des Bachs spiegeln, die Wiese mit Obstbäumen, die sich an einer Seite den Hang hinaufzieht.
Ich beschreibe mit meinem Arm einen Bogen: »Ich liebe das.« Ich atme tief ein, sehe mich um. Aber ich weiß auch, dass diese Idylle allein zu wenig ist für ein ganzes Leben.
Ich schaue Marek wieder an, er nickt. Ich weiß nicht, ob er verstanden hat, was ich meine. Er geht weiter, sicherer jetzt, meidet moosbewachsene Steine.
Der Bach schlängelt sich durch ein umzäuntes Grundstück. Wir grüßen fröhlich, als ein älterer Mann auftaucht, der Mist karrt. Er nickt nur verdattert. Ich nehme Mareks Hand, als wir zwischen den Bäumen verschwinden. In meinem Garten angekommen, helfe ich ihm ans Ufer.
Wir verbringen den Nachmittag dösend im Schatten auf der Decke, hängen unseren Gedanken nach. » Montag bis Donnerstag« geht mir nicht aus dem Kopf. Ich wusste nicht, dass es so einfach sein kann. Dass es Möglichkeiten gibt. Mehr als
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