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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Walther
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J. Walther

    Benjamins Gärten

    Pete sagte, Nachtdrachen sind anders, denen macht die Dunkelheit nichts aus.
    Sie steigen allein auf, ganz auf sich gestellt, sagte Pete,
    und sie haben keine Angst davor, anders zu sein.
    Bei den Menschen sind auch manche anders, sagte Pete.

    M.E. Kerr Drachen in der Nacht

    Wasser

    Wenn das Wasser ganz ruhig ist, kann man die Kacheln am Grund des Beckens erkennen. Verschiedene Schattierungen von Blau auf dem Grund, die geschwungenen Linien dazwischen. Am Rand sind die Kacheln dunkelblau und ornamentiert. Ich schlage an, stoße mich kräftig vom Beckenrand ab, gleite lange. Eine freie Bahn vor mir, niemand der stört. Ich schwimme langsam, mit gleichmäßigen Zügen. Erreiche die andere Seite des Beckens, halte mich einen Moment fest. Zwei der dunkelblauen Jugendstilkacheln sind gesprungen, verraten ihr Alter, verzeihen die mangelnde Pflege nicht. Ich stoße mich rückwärts mit den Füßen ab, gleite einen Moment, hebe einen Arm und beginne zu schwimmen, ziehe mich kraftvoll durch das kalte Wasser. Die niedrige Decke über mir, von Stahlträgern gehalten, schmale Fenster knapp darunter. Das warme Licht des späten Nachmittags fällt hindurch, trifft knapp über dem Wasser die andere Wand in rötlichen Vierecken.
    Ein junger Mann mit einer Schwimmbrille kommt in mein Blickfeld. Sein Kopf hebt sich weit über das Wasser, bleibt lange untergetaucht, erscheint wieder. Er zieht an mir vorbei, ohne das Wasser aufzuwühlen. Ich drehe mich herum, erreiche das Ende der Bahn, verschnaufe, blicke über das Becken. Der Kopf des jungen Mannes hat fast schon wieder die andere Seite erreicht. Am Ende der Bahn taucht er unter, bleibt lange verschwunden. Taucht nur wenige Male kurz auf, den Oberkörper weit über Wasser. Er ist ein beneidenswert guter Schwimmer, schnell und ausdauernd. Neben mir hält er kurz an, grüßt mit einem Kopfnicken, holt tief Luft, schwimmt mit kräftigen Kraulzügen davon. Die Muskeln seiner Schultern sind angespannt. Ich betrachte meine Wasser tretenden Beine, meine Brust. Ich bin schlank, das ist gut fürs Schwimmen, doch nicht so muskulös wie er.
    Ich blicke auf, seine Arme nähern sich schon wieder. Eine Bahn weiter schwimmt eine alte Frau langsam heran. Als sie meinen Beckenrand fast erreicht hat, erkenne ich sie. Meine Großtante zweiten Grades. Sie hat ein gutmütiges, breites Gesicht, sieht ohne ihre große Brille ungewohnt aus. Ich will schnell weiterschwimmen, doch zu spät.
    »Hallo Benjamin.« Sie erreicht keuchend den Rand. Ich grüße artig, weiß, was von mir erwartet wird. Verzweifelt versuche ich mich an ihren Namen zu erinnern, aber ohne Erfolg. Sie kommt dicht an mich heran, blickt mich aus kurzsichtigen Augen freundlich an.
    »Wie kommst du denn klar so alleine?«
    »Geht so, muss ja«, antworte ich angemessen ernst. Meine Standardantwort auf diese Frage. Die mir seit fast einem Jahr immer wieder gestellt wird, auf die ich keine andere Antwort weiß.
    »Bist schon ein tüchtiger Junge.« Ihr Tonfall hat etwas Weiches und Mitfühlendes angenommen. Hilfe suchend schaue ich über ihre Schulter. Der Kopf des jungen Mannes verschwindet unter Wasser, taucht weiter hinten wieder auf. Ich bin um eine Antwort verlegen, nicke halbherzig.
    »Aber mit dem Abitur bist du fertig?«
    »Ja«, ich blicke über ihre andere Schulter, immer noch Hilfe suchend. Doch von dort schwimmt nur eine alte Dame auf uns zu. Sie grüßt verkniffen, als sie uns erreicht hat, hält sich am Beckenrand fest.
    »Wie schaffst du denn alles mit dem Haus?«, fragt meine Großtante zweiten Grades weiter.
    »Ich würde die alte Bude verkaufen«, mischt sich die andere Frau ungefragt ein. Ich schließe für einen Moment die Augen. Das Gespräch nimmt den üblichen Verlauf. Dem ich hilflos gegenüberstehe. Ich kann nicht über Dinge reden, die mir selbst so wenig klar sind. Ich wende mich Rettung suchend wieder an meine Großtante.
    »Hör nicht drauf. Wenn du mal eine Familie hast, dann ist es doch schön, wenn du schon ein Haus hast«, nickt sie.
    Stets gleicher, gut gemeinter Wunsch für meine Zukunft. Eine Familie, ihre Hoffnung für mich. Sie trösten sich auch selber damit. Irgendwann wird alles wieder normal sein, das Schicksal ausgeglichen. Doch ich kann ihr Trostpflaster nicht annehmen und antworte ausweichend.
    »Hoffentlich bekommst du bald eine Lehrstelle. Du musst ja jetzt Geld verdienen.«
    »Ja«, sage ich, obwohl ich mich noch nicht einmal um eine Ausbildung bemüht habe.

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