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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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I ch erinnere mich nicht, eine Detonation gehört zu haben. Ein Zischen vielleicht, ähnlich dem Reißen eines Stoffes, aber sicher bin ich mir nicht. Meine Aufmerksamkeit ist abgelenkt von diesem Mann, der vom Heer seiner frommen Anhänger getragen wird wie ein Gott, während seine Leibgarde versucht, ihm einen Weg zu seinem Fahrzeug zu bahnen. »Macht Platz da. Bitte geht zur Seite, lasst uns durch .« Die Gläubigen drängeln, stoßen einander in die Rippen, um aus der Nähe einen Blick auf den Scheich zu erhaschen, einen Zipfel seines kamis zu berühren, seines langen Gewandes. Der verehrte Greis winkt in die Menge, grüßt hier einen seiner Bekannten, dankt dort einem seiner Schüler. Der Blick seines asketischen Gesichts ist so schneidend scharf wie die Klinge eines Krummschwerts. Ich versuche erfolglos, mich von den Leibern in Trance, zwischen denen ich eingezwängt bin, zu befreien. Der Scheich verschwindet in seinem Wagen, hebt die Hand zum Gruß hinter der Scheibe aus Panzerglas, während seine beiden Leibwächter neben ihm ihre Plätze einnehmen … Dann sehe ich ihn nicht mehr. Etwas zuckt am Himmel auf und explodiert im nächsten Moment mitten auf der Straße; die Schockwelle trifft mich mit voller Wucht und reißt die frenetische Menge auseinander, in der ich gefangen bin. Im Bruchteil einer Sekunde stürzt der Himmel herab, und die Straße, die eben noch vor religiöser Inbrunst brodelte, versinkt im Chaos. Der Körper eines Mannes, oder vielleicht auch eines Jungen, streift mich in meinem Taumel wie ein seltsamer Blitz. Was ist das …? Eine riesige Welle erfasst mich , aus Feuer und Staub, schleudert mich zwischen tausend Geschossen hindurch. Ich habe das undeutliche Gefühl zu zerfasern, zu zerschmelzen im glühenden Hauch der Explosion … Einige Meter – oder Lichtjahre – entfernt geht das Fahrzeug des Scheichs in Feuer auf. Züngelnde Flammen greifen nach ihm und verbreiten in der Luft den grauenhaften Gestank brennender Leichen. Der Lärm muss entsetzlich sein, doch ich kann ihn nicht hören. Ich bin mit plötzlicher Taubheit geschlagen, fernab von allen Geräuschen der Stadt. Ich höre nichts, spüre nichts. Ich schwebe einfach nur, ich schwebe. Ich schwebe eine Ewigkeit, bevor ich zur Erde zurückfalle, wie zerschlagen, und völlig aufgelöst, dabei seltsam wach, mit Augen geweitet vom Schrecken, der auf der Straße wütet. Im Moment, da ich den Erdboden berühre, erstarrt alles; die Feuerfackeln über dem zerfetzten Fahrzeug, die Geschosse, der Rauch, das Chaos, die Gerüche, die Zeit … Nur eine himmlische Stimme ist da, über dem unergründlichen Schweigen des Todes, und singt: Eines Tages aber kehren wir heim. Eigentlich ist es gar keine Stimme, es ähnelt mehr einem feinen Rauschen … Mein Kopf prallt irgendwo auf … Mama , ruft ein Kind. Sein Ruf ist schwach, aber klar und deutlich. Er kommt von weit her, aus einer heiteren, wunderbar friedlichen anderen Welt … Die Flammen, die das Fahrzeug verschlingen, hören plötzlich auf sich zu bewegen, die Geschosse fallen nicht mehr herab … Meine Finger tasten im Schutt nach sich selbst. Ich glaube, es hat mich getroffen. Ich versuche, meine Beine zu bewegen, den Hals zu heben. Nicht ein Muskel gehorcht mir mehr … Mama , ruft das Kind … Ich bin da, Amin … Und da ist sie, die Mama, aufgetaucht aus einem Rauchvorhang. Sie schreitet durch die schwebenden Brocken hindurch, die versteinerten Bewegungen, die aufgerissenen Münder. Im ersten Moment halte ich sie mit ihrem milchigen Schleier und dem gemarterten Blick für die Jungfrau Maria. So war sie immer, meine Mutter, strahlend und traurig zugleich, wie eine Wachskerze. Wenn sie ihre Hand auf meine heiße Stirn legte, waren mein Fieber und all meine Sorgen wie weggeblasen … Und da ist sie. Und es geht derselbe ungebrochene Zauber von ihr aus. Ein Schauer durchläuft mich von oben bis unten, er befreit das Universum, löst Zuckungen aus. Da setzt der Totentanz der Flammen wieder ein, die Splitter fliegen umher und die Panik erwacht zu neuem Leben … Ein Mann in zerfetzter Kleidung, mit geschwärzter Haut versucht, sich einen Weg zum brennenden Fahrzeug zu bahnen. Er ist schwer verletzt und setzt doch alles daran, getrieben von einem unbegreiflichen Willen, dem Scheich zu Hilfe zu kommen. Jedes Mal, wenn er die Hand an die Wagentür legt, hält ihn eine lodernde Flamme zurück. In der Falle des Wageninnern brennen die Körper. Zwei blutüberströmte Phantome versuchen von der

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