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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Ader in dem verdorrten Gehirn barst. Das zuckte, die Augen irrten, lagen still, war ein Mensch.
    Von der Hochfläche Sidobre bei Toulouse brachen die Menschen auf, die Island erlebt hatten. Mit ihnen Kylin, Hojet Sala, der Steile Absturz. Aus Toulouse, wo sie wieder die Serninkathedrale betrachtet hatte, kam die gelbbraune glatthäutige Venaska zu ihm herüber, bat, mit ihm wandern zu dürfen. Schon auf dem Wege durch ein Maisfeld, sah er sie starr an: »Willst du wirklich, Venaska?« »Laß mich mit dir.« »Ich habe deinen Feigenzweig unter dem Oleanderbaum weggelegt.« »Hojet Sala, hier ist ein neuer.« »Ich habe deine Küsse unter dem Baum angenommen. Ich weiß, wie süß Menschen sind.« »Nimm mich. Ich möchte, daß du mich liebst.« Und während es warm durch ihn ging, summte er: »Ich will sie mitnehmen. Ich wandere mit ihr.« Träumte, sah auf seinen Arm und begrub den Gedanken.
    Durch die blühende Ebene der Garonne fuhren sie auf Ziegengespannen nach Osten. Siedler und Islandfahrer begegneten ihnen auf den Roggenfeldern, zwischen den dichten Ansammlungen der Bäume, der laubabwerfenden stillen Wesen, die neu grünten. Wer von den Islandfahrern auf sie zu kam, durfte sie begleiten; der Steile Absturz blickte weg, als Venaska die Männer und Frauen mit jungen Blättern auf ihre Art schmückte. Sie warfen sich täglich vor dem Feuer hin, das auf den Feldern angezündet wurde. Träumend stand Venaska, mit verschlafenen kleinen Augen, von den Anbetungen auf. Der Steile Absturz, immer hart und ernst, drängte nach Osten, zur Rhone; das Rhonetal aufwärts wollte er nach Lyon und nördlicher nach Paris. Durch leere Felstäler stiegen sie, Gießbäche umgingen sie. Jenseits des großen Flusses lag eine Ebene.
    Da schwollen ihnen Menschen von Norden entgegen. Der Steile Absturz schickte Männer unter die wandernden Gruppen; die ließen sich nicht aufhalten. Über den Fluß fuhren nach Westen Menschen. Sie suchten in das Gebirge hinauf, fragten nach Verstecken. Und dann hörten die Menschen um Kylin –, sie waren in der Nähe der Stadtschaft Lyon –, tage langes nächtelanges Knattern und Schreie. Brandwolken, eine ungeheure Flamme über Lyon, die sich ab und zu verschattete. Unter dem Brausen flüchteten an ihnen Massen weinender erschöpfter Menschen, heller und dunkelfarbiger, vorbei.
    Der Stadtschaft Lyon hatten sich drei Giganten bemächtigt, zwei Männinnen und ein Mann. Die anderen Herren lagen erdrosselt. Sie selbst waren im Begriff sich in Dampfwolken zu verwandeln, um zu Delvil zu fahren. Ihre zähen mit Felsen und Erde genährten Leiber widerstanden der Glut. Das ganze Rhonetal hatten sie in Brand gesteckt, neue Wälder erhitzten sie. Aus der Tiefe brannte die Stadtschaft auf. Das berghohe Weib Tafunda stand breitbeinig über der Flamme, die an ihren Beinen leckte, goß ihren Harn in die Flamme, zitterte nach den beiden, sie sollten ihr helfen; aber sie schmolz nicht. Einer lag über der alten Vorstadt Macon wie ein Riesenberg blauer Seide. Sein Leib war nicht mehr zu erkennen, das Feuer zerfraß ihn; der Gigant kämpfte mit der Flamme, die ihn vernichten, verblasen wollte. Er hielt mit allen Sinnen seinen Leib, wie er sich auch streckte und wandelte, fest; das Feuer briet und röstete, er fühlte es nicht; die Flamme mußte tun, was er wollte. Er atmete selten, alles Feuchte hatte er von sich gegeben; aber der Wind bewegte seine blauen Massen noch nicht. Da riß sich der dritte Gigant, die Männin Kussussya, bis an den Hals in dem glutrasenden Erdloch Lyon im Süden, aus dem Boden: »Wir haben Zeit? Was ist das für Feuer.« Und lachend tobend zerrte sie sich den Panzer der Giganten, den Islandschleier von der Brust, zerknäulte ihn, rieb ihn gegen einen Uferfels. Aufkrachen. Grüne Stichflammen. Ihr Leib verprasselte über den Wolken. Die Hitze hinblasend löste den Giganten bei Macon ab von der Erde. Er wallte wie ein blaues Lufttier. Molluskenhafte Arme streckte er hinstreifend nach Tafunda aus, die nach ihm schnappte loderte und nicht verbrennen konnte. Er schleppte das sich krampfende stöhnende ungeheure Gebilde.
    Kylin hatte starr auf dem Pilatberge gestanden; sie sahen in der Luft über sich den Giganten von Macon mit dem schwarzen sich windenden Gebilde die Berge umkreisen, nordwestwärts ziehen. In das Flußtal wollten sie heruntersteigen; sie vermochten es nicht unter dem widrigen stinkigen Branddunst. Der Menschenstrom hatte plötzlich nachgelassen. Und wie sie die letzten Hügel nach

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