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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Osten begingen, hielt der ganze Zug der Fahrer an. Das Flußtal war sumpfig erweitert, Fußtapfen der Giganten, Hügel bei dem Gigantenkampf zerrissen, von Nordwesten her das Gebirge in das Tal gestürzt. Über die Ebene gesät Häusertrümmer, die rauchten. Und daraus wanden sich hervor Menschen und Tiere. Auf die Siedlungen war der Kampf und der Brand übergegriffen. Das Feuer hatte die fliehenden Wesen wie ein Vulkanausbruch überfallen; sie lagen, schwarzbraune Flecken, zusammengekrümmt, auf den Wegen; an manchen absperrenden Mauern in Haufen.
    Auf den östlichen Hügeln, an deren Lehnen sich der Qualm heraufzog, zitternd und heulend warfen sich auf den Boden und verbargen sich manche Islandfahrer, Männer und Frauen weinten; hielten sich die Ohren zu; das Gespenst Grönlands und der Vulkane zog wieder über sie her. Die meisten blieben starr; verbissen drängten sie weiter. Kylin hielt sich kaltgesichtig unter ihnen, lachte, manchmal krampfhaft stolz: »Sie bereiten sich selbst ihr Ende. Die Giganten, verfluchte Gesichter. Verfluchte Arme, zu denen wir geholfen haben. Könnte ich sie zerreißen, wie ich sie geschaffen habe.« Schluchzend, jammernd hob er die Arme über sich: »Ich will das nicht mehr sehen. Feuer, ich kann an dich denken. Feuer auf Island, im Himmel, Feuer in meinem Leib, vernichte sie. Verbrenne sie, schlag sie nieder. Bestraf uns nicht wieder. Sieh, wie wir leiden.« Er weinte laut mit den andern. Die Hügel herunter in das Tal zog er sie. Sie mußten nach den Verbrannten Zertretenen, den grauenhaft Zerquetschten sehen. »Sage einer«, klagte Kylin, »daß ein Mensch ist wie ein Baum, ein Stock, ein Sandhaufen. Er ist nicht dasselbe wie die Luft und der Stein. Die Steine sind zertrümmert, die Riesen haben die Felsen zertreten; die Bäume jammern mich, die sie zertreten haben. Aber dies zu sehen: die Menschen. Seht es euch an: es sind Menschen. Es ist mehr als Muskeln und Knochen und Haut. Die Riesen haben es nicht gesehen. Ich selbst habe es nicht gesehen. Sie haben gelebt. Sie sind hin.« Sie weinten um ihn: »Wir wollen von hier. Müssen wir durch dies Jammertal?« »Wir müssen«, der Steile Absturz erblaßte, rote Tupfen auf seiner Stirn und den Backen, »es kann nicht zuviel sein. Dies ist das Feuer, das für uns ausgelegt ist. Kommt hinter mir her. Biegt euch, schmelzt, zerbrecht. Es ist kein Schade. Blickt euch um, was hinter euch nach Nordwesten zieht. Es triumphiert, es wird noch wüten, so, so. Unsere Schande. Es kann nicht schaden, wenn wir zerbrechen. Wir alle.« Und wieder schluchzte er, krampfte die Fäuste, kniff die Augen zu: »Vernichte sie, wer es auch immer sei. Feuer, vernichte, blase sie in die Luft. Zerstäube sie. Laß nichts von ihnen übrig.«
    Und durch das schreckliche Tal gingen sie weiter, bis ein Floß von Osten eine Schar verstörter irrer verstümmelter Menschen gegen sie losließ. Da bestiegen sie selbst das Floß, setzten über den qualmbeladenen Strom nach dem andern Ufer über. Kylin hetzte, während sie fuhren: »Da ist Wasser. Seht es euch an, ihr. Es gibt nichts zu weinen. Hier kann man ertrinken. Wenn man genug gebrannt hat, hier kann man ertrinken. Weg von der Erde.« Es war Grausen ohne Maß, was auf den weiten Flächen des östlichen Ufers vor sie trat. Unersättlich, geschüttelt war Kylin, mehr, mehr zu sehen, ihnen zu zeigen. Vor die gähnende Öffnung der zackigen Krater der Erdstadt Lyon schleppte er sie, aus der die schreckliche lachende Männin gefahren war. Kylin lockte mit Hohn und Grausamkeit: »Auch hier hinein kann man sich stürzen. Sie hatte nicht Asche werden können; für uns reicht es.«
    Es gelang ihnen tagelang nicht, Kylin von der furchtbaren Totenebene zu bewegen. Schon erkrankten von den Fahrern welche. Mit Haß und Genugtuung betrachtete der harte Kylin sie. Er hörte mit leuchtenden Augen, daß einige davongelaufen seien, irr vor Ekel, andere unfähig die Qual zu ertragen. »Wir müssen bleiben; wir werden sehen, wer zuletzt bleibt.« Sie faßten ihn an: »Du willst uns opfern. Wir haben noch mehr vor.« »Uns kann nichts Besseres geschehen als verbrennen. Wir müssen es den Giganten nachmachen. Wir müssen auch in einer Wolke nach London fahren.«
    Wie sie herumirrten eines Abends, nach Hunden jagend, von deren Fleisch sie lebten, stieß Kylin auf Venaska, die verschleiert und geduckt um ihn ging, ihm auswich. Er zog an ihrem Schleier: »Ah, Venaska. Daß du mir begegnest! Gut! Du versteckst dich vor mir. Bei uns, an der

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