Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
Frangani, die halbe Italienerin, die ja, ist sie nicht hier, ha, wer bist du sonst? Versteckst dich hinter seinem Rücken. Es ist nicht nötig. Du sitzt in seinem Kopf und seinem Leib, in vielen Köpfen hier; du bist drauf und dran zu zeigen, daß du wieder da bist. Welche Neuigkeiten für einen alten Mann. Ha, welche Überraschungen. Wie komm ich nur zu solchem Glück! Mit meinen weißen Haaren noch solches Glück!« Er gestikulierte neben dem Megaphon; man verstand ihn nicht. Man begütigte ihn; unten standen manche, die nicht die Augen heben konnten. Er schrie: »Ich soll weiter reden. Sagt mir doch erst: ist Marke tot? Ist er in der Krim gestorben, konnte er nicht nach Hause kommen, oder ist er hergekommen. Seine Töchter haben sich erhängt. Er hat sich die Augen ausgeschlagen.« Er tastete um sich, während sein lappiges Gesicht glührot überflammt war, die Augen ihm hervorquollen, fuchtelte krächzte: »Zur Wahl! Der neue Konsul! Wir haben einen Krieg geführt. Der Krieg ist eben zu Ende. Wir sind von der Grenze gekommen. Da war – Wüste! Wüste! Die Ruinen von Ninive sind Paläste gegen das, was wir gesehen haben. Der Euphrat fließt noch, die Grundmauern stehen da, man findet noch Ziegel, es gibt alles. Das Land aber in Rußland ist verwüstet, das Land ist nicht mehr da. Die Erde ist weggerissen. Die Krater gehen bis an die heiße Flüssigkeit in der Erde. Ich wähle – Marke! Wählt mit! Marke! Bürger, niemand als Marke soll Konsul sein.«
    Dieser wurde beiseite geführt. Ein kühler sachlicher Mann sprach nach ihm. Ligbau im Krankenstuhl in seiner Nähe. Vornübergebeugt beobachtete der alte Mann mit weißen Augen den Redner; rief zu ihm herauf: »Was hast du im Kopf? Woran werden wir sterben, Giftströme, Gasströme! Sprich doch!« Wie er fertig war, schrie er: »Wählt ihn! Er führt den nächsten Weg. Noch einmal werden wir uns nicht auf diesem Platz wiedersehen.« Das Weib, das mit dem Mann gestanden hatte, sprang hinauf, schmähte den Alten, zeigte die Fäuste. Der Alte erhob sich vom Stuhl, stieg auf das Podium, schlug ihr mit den Fäusten gegen den Hals: »Das hast du damals nicht gewagt.« Sie warf sich weinend auf das Podium; der Mann führte sie finster herunter.

    DARAUF WURDE Marduk Konsul des Stadtwesens. Er war ein hochstirniger blasser Mann in den dreißig, mit großen ernsten Augen. Ein langes knochiges Gesicht, ruhiger gleichmäßiger Gang auf unsicheren muskelschwachen Beinen. Er hatte sich bis da nicht hervorgetan, aber in den Tagen der sich hinzögernden Wahl, während schon Zeichen der Anarchie hervortraten, – in Mecklenburg standen die Sprosse der alten Herrschaftsgeschlechter auf, im Magdeburgischen sammelten sich um den greisen fanatischen Ligbau Maschinenstürmer, – damals besaß er den Mut, aus Bernau, wo er saß, mit einer Freischar von zweihundert Menschen in eine Beratung der Eisenfreunde einzutreten bei Löwenberg, die gesamte anwesende Führerschaft dieser Bewegung aufzuheben und an einem einzigen Tage samt und sonders verschwinden zu lassen. Es ist bis zum Schluß seines langen Konsulats – er herrschte bis über die Mitte des siebenundzwanzigsten Jahrhunderts – wenigen bekannt geworden, wohin diese zweiundvierzig Männer und Frauen gelangt sind.
    Marduk, selbst ein Mann vom Schlage derer, die er festgenommen hatte, hauste in den Waldungen um Löwenberg, an der mecklenburgischen Grenze, nahe dem Haupteiweißwerk. Ein kleiner Wald von Buchen stand neben seiner Arbeitsstätte hinter Mauern. Zwischen diese grünen Buchen ließ er die zweiundvierzig Gefangenen treiben. Ihnen fielen schon, wie sie durch die kleine Tür hereinwanderten, die geborstenen Stämme auf. Vor den Rissen der Stämme, auf den breiten Wunden stand dicker blasig erstarrter gelblicher Schlamm. Wo er am Baum zur Wurzel herunterrann, war er vertrocknet wie zu einem pulvrigen Rostbelag. Dunkel erinnerten sich die Männer an die Pflanzenversuche dieses Marduk, der sich stets abseits hielt. Er sollte in den Mekilaboratorien an tierischen Organteilen, besonders an Pflanzenstücken eigentümliche Wachstumsveränderungen erzeugt haben.
    Finster gingen die Gefangenen in Marduks Park umher, begriffen nicht, was Gefangennahme Hertransport diese Internierung bedeutete. Marduk war einer der ihren. Es konnte möglich sein, daß er bestimmte Informationen hatte über Angriffe auf sie, sich seiner Bundesgenossen versicherte und sie vorläufig festnahm. Sie erwarteten stündlich, daß er unter ihnen erschiene und

Weitere Kostenlose Bücher