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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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lange ausbleiben. Einzeln wurden sie vor den verblüfften Senat gestellt, der sie halb durchschaute. Bei den Horden erregte ihr Erscheinen im ersten Augenblick Jubel. Dann kamen die warnenden Aufklärungen des Senats.
    Und schon war Marduk selbst auf dem Plan erschienen. Der graue Konsul trat in diesem Moment auf, als hätte er sein Stichwort abgewartet. Seine alten Feinde, die Männer und Frauen der Apparate, der hohen Wissenschaft, wollten dem Land an die Gurgel, sein Werk zerstören. Sein Ansehen und seine Wache verschafften ihm sofort die Führung im Senat. Er fragte die Gefangenen aus, sagte ihnen, daß sie zu den versteckten Täuschern gehörten und was sie planten. Alle fünfzehnhundert aus den Fabriken Entflohenen ließ er dann in Linden bei Hannover zusammentreiben. In Gegenwart von Abordnungen aller Horden ließ er hundert von ihnen grausam auf einer herbstlichen Wiese foltern. Dies zog er einen Nachmittag hin.
    Als sie am folgenden Vormittag und den Nachmittag nicht eingestanden, gab er sie den Kriegern am Abend zum Mord frei. Man hat von diesem Mord im Ausland nichts gehört, nur nach Hamburg sickerte es durch. Es ist Tatsache, daß an diesem Abend auf dem europäischen Kontinent wieder Menschenzähne Menschenfleisch zerrissen und Menschenlippen Blut tranken. Das Rasen der Krieger um die Gefangenen, die sie sich zu entreißen suchten, war beispiellos. Die Tötung wurde lange hingezogen. Die afrikanische Durchflutung des europäischen Blutes wurde deutlich. Aus zertrümmerten Schädelschalen tranken Krieger, Männer und Frauen, noch am nächsten Tage. Unter den benachbarten Horden wuchs mit der Kriegswut ein wollüstiger Drang, der sie schwächte und Marduk veranlaßte, andere Methoden gegen die lebenden Gefangenen anzuwenden. Es ist sicher, daß sich damals der Konsul Marduk, der als grauer matter Mann aufgetaucht war, verjüngte. Er ließ die Gefangenen fesseln. Die Lebensmittel waren zu strecken, Krieger, wo es anging, hatten auf die Äcker zurückzukehren. Den Horden und Häuptlingen gab er Kenntnis vom Stand der Dinge und gab ihnen Auftrag: da wo sich Hunger einstellte, sollten sie sich Nahrung holen. Der Hauptteil seiner bewaffneten Wache ging an die Grenze.
    Es waren nicht alle Flüchtige aus den Mekifabriken, die Marduk fesseln und töten ließ. Nahe der Horde Lorenz lag in der Nähe von Ülzen an der Ilmenau die Truppe Jan Lubbocks, und nördlich davon, in der Gegend des alten Bewensee, die stark mit Weibern durchsetzte Truppe der Angela Castel, einer stillen harten Frau, die zu den Liebhaberinnen der Balladeuse gehört hatte, der Marion Divoise, von der es hieß, daß Marduk sie in Liebesscham zum Fenster hinausgeworfen hatte. Die hellbraune glattgescheitelte kleine Castel war die einzige Frau, die sich in der männlich verwandelten märkischen Stadtlandschaft unter den Führern hielt, sie, die sich und ihre Truppe mit Tannenzweigen an der Brust schmückte und verbitterte Frauen unter sich versammelt hatte. Spott lag auf dieser Schar; man ließ sie gewähren. Sie hielt die Flüchtigen aus den Mekifabriken mit Stolz bei sich. Und als klar wurde aus Bewegungen südlicher und östlicher Gruppen, daß der gehaßte Marduk gegen sie etwas im Schilde führte, brach sie los. Sie schuf sich erst Platz durch einen Angriff auf die Hamburger im Norden. Dicht an Lauenburg drang sie heran. Gegen die Hamburger wandte sie zum erstenmal ihre eigenen Fernwaffen. Zuerst den Wolkenbläser. Dies war ein Vergaser, der eine schwere schwarze wie kohlegesättigte Luftmasse von sich gab, die sich auch unter Wind kaum vom Boden und der eingeschlagenen Triebrichtung entfernte. Ohne giftig zu wirken und zu schädigen, hüllte die schwarze anschwebende bodenentlang kriechende Wolke jeden Menschen Gegenstand Baum Weg Berg Wagen Pferd dicht ein, so daß augenblicklich alles, was in ihren finstern Bereich kam, genötigt war halt zu machen, von tiefer Angst erfüllt. So dick war die Schwärze, daß Menschen, die sich bei den Händen berührten, sich nicht sahen, daß sie Auge an Auge drängend in Nacht hilflos dastanden.
    Das Unheil, das unter den Gegnern entstand, als die erste Wolke, die sie für giftig hielten, bei Lauenburg am Boden in undurchdringlichen meterhohen Schwaden bauchig sich vorwölbend gegen sie anschwoll und sie überwogte, sie versenkte. Fahrende Wagen suchten zu entkommen; schrill und dumpf stießen sie Warnrufe aus. In Nacht vorrasend fuhren sie gegen laufende irrende stehende Menschen, rannten an Bäume

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