Berge Meere und Giganten (German Edition)
gegen ihn in der märkischen Landschaft. Das wußte Marduk. Es kam ihm nicht darauf an. Er war, und ebenso Angelelli, sein stiller schwarzer Gefährte, geschüttelt von einem heftigen Gefühl, als er das schneebedeckte Land sah, die Flächen, die schon zum Acker aufgebrochen waren, Menschen beim Bohren von Brunnen, niedergebrochene Häuser und Fabriken und hinter dem stummen sich bäumenden Land die westlichen Riesenstadtschaften, die eindringenden Flammenschießer in der Heide, die Überschwemmung bei Lauenburg. Wie von einem Blitz war er getroffen, als er dies sah. Ein Schmerz und Glück: sein Werk!
»Angelelli, du kennst die Castel. Das ist ein anmaßliches Weib, die nichts vorhat, als die verruchte Frauenherrschaft über uns zu verhängen. Ihr liegt nichts an dem Land. Sie versteht nichts. Noch weniger als die Londoner, die doch etwas ahnen. Aber wenn sie für nichts, für ihre dummen Pläne sich der Vernichtung durch mich und die andern aussetzt, soll ich mich beschämen lassen. Willst du dich beschämen lassen, Lucio Angelelli.« Der legte seinen strengen Kopf nach rückwärts: »Ich nicht, Marduk.« Marduk hob die Arme: »Und ich!«
Ein Teil seiner Wache flog ihm nach auf Hannover. Als Marduk sie sich westlich von den letzten Ausläufern der Stadt setzen hieß, wurde Jonathan bei ihm gemeldet. In einem qualmigen mit Kohle geheizten Raum einer halb abgebrannten Fabrik stand Marduk, den ruhigen ernsten Blick gegen den blassen weichen Mann. »Marduk, ich suche dich seit drei Tagen. Ich freue mich, dich zu treffen.« »Auch ich, Jonathan.« »Du fragst, was ich will.« »Nein, ich frage nicht. Du kommst doch zu mir.« »Ich will nichts von dir, Marduk. Ich habe früher nichts gewollt und will jetzt nichts. Ich möchte dich warnen.« Jonathan verschattete sich die Augen mit der Linken. »Von der Castel war ein Bote schon bei mir.« Der Blasse flüsterte: »Kann sein. Du scheinst dich nicht darum zu kümmern. Geh außer Landes.« »Gehörst du auch zu den Täuschern?« Der jüngere verstörte zitterte wenig, dann bezwang er sich, richtete sich auf: »Ja.« Marduks Hände hingen schlaff herunter. Die Augen in seinem Kopf waren geschlossen. Er stand eine Weile, als ob er schlief. Wie er die Augen öffnete, stand Jonathan noch da. Der Mann, sein einziges Glück einmal, war drängend näher an ihn gekommen. Marduk schüttelte den Kopf: »Du sagst mir keine Neuigkeit, Jonathan. Willst du mich warnen vor dir?« »Ich weiß, daß du keine Furcht vor mir hast.« »Nein.« »Ich warne dich. Geh außer Landes.« Marduk faßte den Jungen um die Brust: »Du willst mir das anbieten? So erbärmlich denkst du von mir? So fremd bist du mir?« »Ich muß es tun.« Marduk hauchte wie gelähmt: »Ein Täuscher. Es lohnte nicht, daß ich ein Wort an ihn verliere. Die Castel ist frech. Er, seinen Namen sprech ich nicht aus.« »Marduk, ich hasse dich ja nicht.« »Sitzt du bei deinen Maschinen gegen mich? Geht es dir gut dabei. Jonathan. Aber leb wohl! Du! Leb recht herzlich wohl.« »Mir nützt es nicht, was du sagst. Darum kam ich nicht. Ich warne dich, Marduk! Wir sind viele.« Marduk grimmig: »Laß mich los. Sprich nicht mehr zu mir. Ich verachte mich, wenn ich dich sehe.« »Marduk.« »Weg, weg! Es schüttelt mich. Daß du mir unter die Augen trittst! Daß du es wagst. Warum? Das heißt nicht, mich vor dem Tod bewahren. Du hast doch eine Geliebte. Geh zu ihr.« »Ich will dir sagen, Marduk: erst hast du meine Mutter getötet, ich bin dir gefolgt, dann mußte ich von dir gehen. Ich warne dich jetzt. Schmäh mich nicht.« »Sag mir du, bist du gekommen, um mir das von deiner Mutter zu erzählen? Weil es deine ganze Armut, Jonathan, deine ganze Trostlosigkeit enthüllt. Du hättest um deiner Mutter willen jetzt schweigen sollen. Von deiner Mutter hättest du nichts sagen sollen. Ich weiß, sie hat dich mit mir verbunden. Sie ist jetzt – gegen dich!« Jonathan faßte sich an den Hals, wie gewürgt stöhnend, die Augen waren ihm vorgetreten: »Sprich nicht weiter, Marduk.« »Ich spreche schon nicht. Warum erlöst du mich nicht? Warum gehst du nicht.« »Ich habe mich schwer hergezogen, Marduk. Ich habe mich gewunden und geschämt herzukommen. Ich habe um dich und durch dich grenzenlos gelitten, Marduk. Du weißt es. Ich hänge an dir. Ich kann dich nicht loslassen. Ach ich warne dich, Marduk. Stirb nicht und stirb nicht mit meiner Hilfe. Ich bitte dich, flieh. Ich flehe dich an, hör auf mich. Ich flehe. Ich flehe. Marduk.«
Der
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