Bergrichters Erdenwallen
würde, daß nur der minderwertige Romancement erzeugt werden könnte?“ In gigantischen Ziffern sah der Fabrikherr den Ruin vor dem geistigen Auge. Und solche Gedanken quälen ihn jetzt, da er im Begriffe steht, die große Luftseilbahn in Scene zu setzen. Das nötige Grundstück ist erworben, die Behörden haben die Konzession zur Anlage erteilt, welcher nach den Probefahrten die Erlaubnis zur Betriebseröffnung folgen wird. Mit Bleichert & Co. ist alles vereinbart, die Drahtmenge &c. unterwegs, der Ingenieur zur Seilbahnerbauung muß jeden Tag eintreffen, die Pläne sind fertig ausgearbeitet.
Ratschiller ist's, als will ihm der Kopf zerspringen. Wie und wo den Ausweg finden, wie den geradezu lähmenden Zweifel losbringen?
Am Telephon lärmte die Klingel. Ratschiller trat an den Apparat, der das „Allerheiligste“ mit dem Büreau der Fabrikleitung verbindet, und fragte nach dem Begehr Hundertpfunds.
Wie Musik klingt es Ratschiller aus dem Hörrohr in sein Ohr. „Herr Chef! Soeben im Eibberg erstmalig mit Janit gesprengt, ein kolossales Mergellager liegt offen von einer ganz unerwarteten Mächtigkeit. Gratuliere!“
„Danke!“ vermochte der Chef noch zu stammeln; das Hörrohr auf den Haken zu hängen war er nicht mehr fähig. Vor den Augen ward es schwarz, Hände und Kniee zitterten, der alte Mann war einer Ohnmacht nahe. Er schleppte sich zu seinem Stuhl, ließ sich hineinfallen und weinte.
Thränen wirken immer lindernd. Nach einem Halbstündchen war Ratschiller wohl, die alte Elasticität kehrte wieder, froh und heiter packte er die Schriften und Pläne in den Schrank und begab sich in die Privatwohnung hinauf.
Am Telephon knatterte es, doch konnte wegen Ausschaltung des Hörrohres die Klingel nicht funktionieren, der Fabrikleiter also keine weitere Meldung erstatten. Das Knattern ward in den übrigen Zimmern nicht gehört.
Tags darauf fanden sich die Geladenen zum Verlobungsdiner ein im glänzend geschmückten Speisesaale der Familie Ratschiller. Die Wohlhabenheit des Fabrikherrn kündete das feine Mobiliar wie der reiche Tafelschmuck in Silber und Gold. Alles war festlich gekleidet und in bester Laune. Die Verlobten strahlten vor Glückseligkeit, die Väter drückten sich die Hände, Frau Ehrenstraßer überschüttete die Gesellschaft mit einem welschen Wortschwall, und sagte es jedem, der ihr in den Weg kam, daß sie die glücklichste Frau von ganz Tirol sei. Franzens Schwestern beglückwünschten Emmy unaufhörlich und mengten Toilettefragen dazwischen, Frau Ratschiller als Hausdame kümmerte sich mehr um regelrechtes Servieren und kommandierte das Dienstbotenpersonal in vornehm-ruhiger Art. Wichtig hatten es Herr und Frau Doktor von Bauerntanz, indem der dicke Gemahl dem Bräutigam, der nur mit halbem Ohr zuhörte, die wichtige Lebensregel auseinandersetzte, daß man vor lauter Liebe niemals auf einen ordentlichen Tarok vergessen dürfe. Frau von Bauerntanz brillierte in ihrer blonden Schönheit und in einem Seidenkleid, das früher ihr Hochzeitskleid gewesen, und kokettierte kräftig mit Herrn Hundertpfund, welcher mit größter Bereitwilligkeit auf die Augensprache einging, und der schmucken, üppigen Frau den Hof machte. Der Fabrikleiter war aber auch ein begehrenswerter, bezaubernder Mann, der es verstand, mit Damen umzugehen, sich unwiderstehlich zu zeigen. Wie glänzen doch seine schwarzen Augen, wie sympathisch ist seine Haltung, anziehend, lockend, so ganz anders als die Provinzlergestalten in der Herrenwelt des Städtchens, nicht schwerfällig, sondern schlank und elegant, ausdrucksvoll jeder Blick, jede Miene und Geste, schmale Hände in modernen, feinen Handschuhen, sonor und weich und wohlklingend die Stimme, verheißungsvoll. Frau von Bauerntanz wollte nach ihrer ursprünglichen Absicht mit diesem Idealmanne nur kokettieren, den Kitzel eines Spieles auf sich wirken lassen, den feschen Mann in sich verliebt machen, um ihn selbstverständlich dann in der Kniestellung auszulachen, denn sie fühlt sich als hochanständige Frau.
Man nahm Platz an der herrlichen Tafel. Braut und Bräutigam zärtlich nebeneinander, dann immer ein Herr zwischen den Damen. Den Bezirksarzt traf das Los, die Richterin zur Nachbarin zu bekommen, und er fügte sich würdevoll ins Unvermeidliche, wobei er gleichzeitig die dürftigen Sprachkenntnisse des Südens hervorkramte. Seine Gattin kam neben Hundertpfund zu sitzen und hatte schon vor dem Champagner ein leuchtend Rot in den feingeschnittenen Öhrchen.
Die
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