Bergrichters Erdenwallen
sicher. Der verdächtige Zettel gehört dir, du hast es selbst eingestanden.“
Wieder lachte Weirather höhnisch auf und sprach. „Lassen S' Ihnen nicht auslachen, Herr Richter! Seller Zettel ischt nicht verdächtig!“
„Was soll der Zettel dann bedeuten?“
„Eine Aufschreibung ischt er, weiter nichts!“
„Wieso? Eine richtige Aufschreibung sieht anders aus!“
„Schon möglich, Herr! Aber ich kann's halt nicht anders!“
Ein jäher Gedanke durchzuckte den Richter. „Kannst du etwa gar nicht schreiben und lesen, wie's Brauch ischt?“
„Nein!“
„Dann wären die Zeichen und Ziffern lediglich Notizen aus deinem Wirtschaftsleben?“
„Ja! Ich kann nur die Ziffern machen, wie sie auf den Tarokkarten stehen.“
„Erkläre das, Weirather!“
„Selles Schwein auf dem Zettel hab' ich verkauft und um 25 Gulden und 10 Gulden Anzahlung 'kriegt. Fünf Metzen Kartoffel verkauft um 12 Gulden 50 Kreuzer. Auf die Hand geliehen 50 Gulden 20 Kreuzer.“
„Gut! Dann kommt die zweite Abteilung, die mit einem Zeichen, ähnlich einem Wagen beginnt. Was bedeutet das?“
„Sell ischt die Gegenleistung. Mein Schuldner gab mir entgegen: 2 Wagenfuhren, angerechnet mit 5 Gulden, 2 Faß Wein im Wert von 15 Gulden, Barzahlung 11 Gulden, 15 Klafter Holz, für die ich 7 Gulden rechne, 25 Bäume zu 5 Gulden.“
„Na, das Rechnen verstehst du bei allem Mangel der Elementarbildung vorzüglich. Da heißt die letzte Aufzählung wohl so viel, als daß du bei dem Geschäft 61 Gulden allweil noch verdient hast?“
„Vom Verdienen lebt der Mensch!“
„Das ischt kein Verdienen mehr, das ischt Wucher! Hast mit dem Amareller auch solche ‚Geschäfte‘ gemacht?“
„Es ischt nie recht 'gangen! Der laßt zu wenig aus!“
„Das kann man einem klugen Hausvater auch nicht verübeln. Ich mein' immer, der Geiz hat dich arg in den Klauen. Wieviel ischt dir der Amareller schuldig?“
„Nichts mehr!“
„Also hat er dich in der letzten Zeit ausbezahlt? Das wundert mich, denn er wird nach dem Verschwinden seines Geldes aus der Truhe nicht viel Bargeld mehr gehabt haben. War der Amareller immer zäh im Zahlen?“
Der kordiale Ton in der Rede des Richters veranlaßte den Verhafteten zum Plaudern, er schläferte die Besorgnis ein, der Bauer vergaß auf seine Situation vor Gericht und redete sich warm. „Ein saumiger Tropf ischt er allweil g'wesen! Nichts zu kriegen, allweil im Rückstand, allweil Ausreden, ein Jammerer jahraus und jahrein, und immerfort wieder leihen, bis er mir so ein halbtausend Gulden schuldig worden ischt!“
Ehrenstraßer horchte bei Nennung dieser Summe auf, doch ließ er den sichtlich erbosten Bauer weiterreden.
„Zahlt hat er nicht, auf die Anforderung ischt er grob worden; 's Vieh hat er verkauft und 's Geld dafür eingesteckt. Ich hab' wieder nichts 'kriegt, und so hab ich mir 's Geld halt selber g'holt!“
Ehrenstraßer blinzelte dem Protokollführer zu, der indeß jedes Wort des Verhafteten bereits zu Papier gebracht hat und insbesondere die letzte Aussage fixierte.
Der Richter warf nun in harmloser Weise ein. „Ja, ja, ganz recht, Weirather! Aber ich mein', der Amareller wird selles Geld nicht gutwillig hergegeben haben?“
„Ich hab' den Tropf auch nimmer g'fragt. Wo er 's Geld verwahrt, hab' ich ja gewußt, und so bin ich halt es holen 'gangen!“
„Ganz richtig! Du bischt es holen gegangen. Wahrscheinlich in der Nacht?“
„Freilich!“
„Und wegen des Sultan hast deine Hündin mitgenommen?“
„Ich selber hab' keinen Hund; selle Matz hab' ich z' leihen g'nommen, und so hat der Sultan keine G'schichten gemacht.“
„Dann bist durchs Fenstergitter eingestiegen, gel?“
Der starre Blick des Aktuars brachte Weirather die Gefahr in Erinnerung; der Bauer überlegte einen Augenblick und dann erklärte er: „So hab' ich halt gedenkt, könnt' man's machen, aber ich hab' die Sach' dann decht wieder überlegt und sie dann bleiben lassen. Selles denken ischt aber, mein' ich, noch keine Sünd' und nicht straffällig.“
Mit leiser Ironie sprach der Richter. „Das wirst du schon sehen, Weirather! Bis zum Einsteigen hast jetzt alles schön und ordnungsmäßig eingestanden, das ischt die Hauptsache. So, und nun werden wir dich mit dem Maßstab messen.“
Der Bauer machte einen Luftsprung vor Schrecken und auf dieses Geräusch hin erschien Perathoner, der Amtsdiener, vorsichtshalber in der Thüre, so daß ein Fluchtversuch unmöglich ward.
„Amtsdiener, halten Sie mal den
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